Der Mensch als Waffe

Fantasy-Filmfest: Waffenerbgut beim Bullet-Man und ein Shampoo, das die Haare zu Empfängern für Gedankenübertragungen macht - Visionen des Menschen als vollständig manipulierbares Konstrukt

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Den Auftakt des siebten Tages bildete Shinya Tsukamotos mittlerweile dritter "Tetsuo"-Film mit dem Untertitel "The Bullet Man". Wie in beiden Vorgängern transformiert sich auch hier ein Mann nach dem Kontakt mit einer Maschine in ein Hybrid aus beiden, initiiert wird die Verwandlung durch Wut. Der dritte Teil greift als Auslöser dieser Wut (wie "Tetsuo 2 - Body Hammer") die Gewalt gegen den Sohn des Protagonisten auf: Der eigentlich friedfertige Anthony wird durch den Mord (das Kind wird vom Auto überfahren - im ersten Teil war das der Beginn der Transformation!) an seinem Sprössling derart in Rage versetzt, dass er sich in eine menschliche Waffe verwandelt.

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The Bullet Man (Bild: Ausschnitt aus dem Trailer)

Hintergrund dieser Verwandlung ist ein genetische Experiment: Anthonys Mutter war lange vor seiner Geburt an Krebs gestorben; ihr Ehemann, der bei Forschungen zu Androiden mit dem Militär zusammenarbeitete, erweckte sie jedoch als Androidin wieder zum Leben und zeugte Anthony mit ihr, der nun "Androiden-DNA" (wie es im Film heißt) in sich trägt. Da die Hybridforschungen jedoch nicht mit irgendwelchen Maschinen, sondern mit Waffen stattfanden, ist es Waffenerbgut, dass beim provozierten Wutausbruch seine Dominanz gewinnt.

Die Story ist natürlich totale Science Fiction; das war bei den Vorgänger-Teilen jedoch ebenso. Tsukamoto geht es in "Tetsuo: The Bullet Man" vielmehr um die abermalige Inszenierung von Wut als filmischem Stilmittel. Dementsprechend fallen auch die Bilder, die sich um Anthonys Verwandlung reihen, brachial aus: wild herum wirbelnde Handkamera, Schnitt-Gewitter und dazu ein Noise- und Industrial-Soundtrack, die als synästhetische Kakophonie auf den Zuschauer niederprasseln und die Affektexplosion des Protagonisten auf geniale Weise verdoppeln. Der vom Film geführte Diskurs eines "Wut-Ausbruchs" als Aspekt einer zukünftigen Waffentechnologie ist dabei nicht unbekannt. Im Bild des Amokläufers laufen die beiden Motive Wut und Waffe zusammen.

Brainwashing

Gegenüber "Tetsuo" nimmt sich die internationale Koproduktion "Metropia" des schwedischen Regisseurs Rarik Saleh geradezu sedierend aus. Sie erzählt die Geschichte des misstrauischen Roger, der im Oslo des Jahres 2024 lebt. Europa ist mittlerweile einer totalen Wirtschaftskrise zum Opfer gefallen; einige wenige Konzerne kontrollieren nun das gesamte soziale und politische Geschick. Dazu gehört auch die U-Bahn-Gesellschaft, der Roger besonders misstraut.

Was er zunächst jedoch nicht ahnt: Auch eine Kosmetik-Firma, die ein Shampoo produziert, steckt in einer Verschwörung. Mithilfe dieses Shampoos werden die Haare nämlich zu Empfängern für Gedankenübertragungen.

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Das Shampoo - Metropia (Bild: Ausschnitt aus dem Trailer)

Roger hört beständig eine Stimme in seinem Kopf und versucht ihren Ursprung zu finden. Dabei hilft ihm Nina, das Model, dessen Bild auf der Shampoo-Flasche zu sehen ist. Auch sie möchte hinter die Verschwörung kommen - allerdings jedoch, um diese auszuhebeln. Weil einer der Gedankenkontrolleure Roger fast bis aufs Haar gleicht, schleust sie ihn in den Konzern ein. Wie ähnlich die beiden einander sind, ahnt jedoch niemand.

So beunruhigend die in "Metropia" finguierte Verschwörung auch ist; der Film vermag kaum, sie glaubwürdig zu inszenieren. Unentschieden zwischen einer düster-grauen Abbildung der urbanen Hölle zukünftiger Großstädte und einer stark mit Mono- und Dialogen überladenen Erzählung hin und her pendelnd, verwirrt sich der Film schnell in seinem eigenen ästhetischen und erzählerischen Ansprüchen. Dazu steuert leider auch die anfangs noch recht originell wirkende Computergrafik einiges bei.

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Metropia (Bild: Ausschnitt aus dem Trailer)

Die mit etwas überdimensionierten, aber offenbar auf realen Vorlagen basierenden Köpfen ausgestattete Figuren wirken auf Dauer allzu seelenlos. Insbesondere, weil der Film ihre Gesichter immer wieder in Groß- und Detailaufnahmen vorführt, er die "uncanny valley" dadurch aber nur umso deutlicher hervorbrechen lässt, verliert man schon bald jegliche Empathie mit den traurig-grauen Gestalten. Wenn dann auch noch einige Missgeschicke bei der Animation (etwa in den Kussszenen) dazu kommen, wirkt "Metropia" vollends wie ein leidlich gut gerendertes Videospiel-Intro.