Berlins Verfassung soll keine Rasse mehr kennen

Verwendung des Begriffs "Rasse" in einem Verfassungstext suggeriert, es gäbe unterschiedliche menschliche Rassen

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Am vergangenen Donnerstag befasste sich das Berliner Abgeordnetenhaus in erster Lesung mit einer von den Grünen und der Piratenpartei eingebrachten Gesetzesinitiative, die eine Berliner Verfassung zum Ziel hat, die auf das Wort Rasse verzichtet. Konkret soll folgender Passus in der Berliner Verfassung geändert werden:

"Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden."

Die Antragsteller wollen das Wort Rasse durch den Passus "aus rassistischen Gründen" ersetzen. Zur Begründung erklären Grüne und Piraten, die Verwendung des Begriffs "Rasse" in einem Verfassungstext würde suggerieren, es gäbe unterschiedliche menschliche Rassen und würde damit sogar rassistischen Gedankengut Vorschub leisten.

Zur Problematik des Begriffs "Rasse" in der Gesetzgebung

Die Diskussion ist nicht neu. Bereits im Jahr 2009 veröffentlichte das Deutsche Institut für Menschenrechte eine Schrift, die sich mit der Verwendung des Begriffs "Rasse" in der Gesetzgebung kritisch befasst. In den Empfehlungen heißt es, dass sich Deutschland zusammen mit anderen Staaten dafür einsetzen soll, dass der Begriff "Rasse" keine Aufnahme mit Gesetzen und internationalen Dokumenten findet. "Da der Begriff "Rasse" historisch extrem belastet ist, gehen mit seiner Verwendung unweigerlich rassistische Implikationen einher", heißt es zur Begründung.

Tatsächlich hat sich in den letzten Jahrzehnten auch in der gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Diskussion eine Abkehr von dem Rassebegriff vollzogen. Noch vor einem halben Jahrhundert wurde auch in Kreisen, die sich gegen Rassismus aussprechen, der Rassebegriff in der Regel nicht problematisiert. Es wurde lediglich eingefordert, dass keine Rasse diskriminiert werden soll. Ähnlich wie der Begriff Völker wurde auch der Rassebegriff erst seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts insgesamt problematisiert.

Bereits das Denken in Kategorien von Völkern und Rassen teilt die Menschen ein und schafft die Grundlagen für eine Diskriminierung, hieß es nun. Dass sich diese Vorstellungen weitgehend durchgesetzt haben, zeigte die Berliner Diskussion um die Änderung der Verfassung. Nicht nur die drei Oppositionsparteien Grüne, Piraten und Linke waren sich einig, dass man mit dem Rassebegriff keine gute Verfassung machen kann.

Auch Abgeordnete der SPD und der CDU signalisierten die Bereitschaft, über die Vorschläge nachzudenken. Das ist auch notwendig, wenn sie Erfolg haben soll. Schließlich braucht man füreine Verfassungsänderung eine Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus. Das kommt relativ häufig vor. Die meisten Verfassungsänderungen sind ziemlich unspektakulär und werden in den Medien nicht besonders beachtet. Dass ist in diesem Fall anders. Denn natürlich handelt es sich um ein politisch brisantes Thema.

Gibt es dann auch keine Rassisten mehr?

Das zeigen die Diskussionen, die die Streichung des Rasse-Begriffes auf Internetforen der extremen Rechten ausgelöst hat. Einerseits macht man sich dort darüber lustig, redet von rotgrünen Umerziehungsfantasien. Andererseits sieht man dort auch etwas Positives in der Debatte. Wenn es keine Rassen mehr gibt, kann es auch keine Rassisten mehr geben und entsprechende Straftatbestände wären gegenstandslos, basteln sich dort manche Ultrarechte eine Logik zusammen. Doch genau das ist nicht die Intention der Initiatoren der Verfassungsänderung.

Deshalb soll ausdrücklich eine Diskriminierung aus "rassistischen Gründen" ausgeschlossen werden. Doch diese Formulierung stößt auch auf Kritik. Wer legt fest, was rassistische Gründe sind, fragt ein SPD-Abgeordneter. Sollte stattdessen eine Diskriminierung wegen der Ethnie ausgeschlossen werden, wie es ein Abgeordneter der Linkspartei vorschlägt. Oder sollte schlicht und einfach in die Verfassung geschrieben werden: "Kein Mensch darf diskriminiert werden", wie ein Vorschlag aus der Piratenfraktion lautet. Allerdings stellt sich auch hier die Frage, wer legt fest, wann ein Verhalten eine Diskriminierung ist.

Man kann davon ausgehen, dass Menschen Opfer von Rassismus werden, auch wenn der Rasse-Begriff aus der Verfassung verschwunden ist. Allerdings wird durch eine solche Änderung zumindest deutlich, dass sich die Verantwortlichen nicht noch auf Begriffe in offiziellen Dokumenten berufen können. Im Bundesland Brandenburg ist übrigens bereits im letzten Jahr mit großerMehrheit der Rassebegriff aus der Verfassung verbannt worden.