Ukraine: Buhlen um China

Beijing ruft alle Beteiligten zur Mäßigung und zur diplomatischen Suche nach einem Kompromiss auf

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Sowohl die USA als auch Russland versuchen, China in der Auseinandersetzung über die Ukraine auf ihre Seite zu ziehen. Ohne die Stimme der Volksrepublik wäre Russland im inneren Kreis der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates isoliert. Entsprechend versucht die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, die Vorteile herauszustreichen, die China durch die Krise erwachsen könnten. Der Abzug westlicher Investoren könnte das Feld für chinesisches Kapital frei machen, Russland außerdem mehr Gas und Öl in das energiehungrige Land der Mitte exportieren. Beides würde allerdings der bisherigen Politik Wladimir Putins widersprechen, die Abhängigkeit von China nicht zu groß werden zu lassen.

Chinas UN-Botschafter Liu Jieyi ruft derweil, wie die KP-Zeitung People's Daily berichtet, alle Seiten zur Ruhe und Zurückhaltung auf, um eine weitere Eskalation der Spannungen zu vermeiden. Es sei Chinas seit langem vertretene Position, sich nicht in die "inneren Angelegenheiten anderer einzumischen und ihre territoriale Integrität zu respektieren". Das kann man als ein klares Nein zur Annexion der Krim durch Russland sehen. Aber wer weiß, ob Russlands Präsident diese Option überhaupt vorrangig verfolgt. Vielleicht will er das Referendum ja auch nur nutzen, um ein Faustpfand für Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine in die Hand zu bekommen.

Für China muss ein Referendum über nationale Unabhängigkeit oder Veränderung nationaler Grenzen jedenfalls ein höchst unwillkommener Präzedenzfall sein. Nationale Minderheiten vor allem in den autonomen Regionen Tibet und in Xianjang könnten sich dadurch inspiriert fühlen. Die Regierung in Beijing (Peking) würde sich seit Beginn der ukrainischen Krise wie auf Eis bewegen, schreibt entsprechend die in Hongkong erscheinende South China Morning Post in einem Meinungsartikel.

Zugleich verweist sie auf die nicht unerheblichen chinesischen Interessen in der Ukraine. Die Volksrepublik sei bisher der treueste Kunde der nicht kleinen ukrainischen Rüstungsindustrie gewesen. Unter anderem hat das Land Chinas ersten Flugzeugträger geliefert. Bei einer Annäherung an die EU, so von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zitierte Beobachter, müsse China vermutlich um diese Zusammenarbeit fürchten, da die EU ein Waffenembargo gegen China erlassen habe. Die Zeitung will entsprechend eine deutliche Unterstützung der russischen Position aus Beijing ausgemacht haben. Andererseits lässt sie aber auch Stimmen zu Wort kommen, die auf die umfangreichen französischen Rüstungslieferungen an die Volksrepublik und die Schlupflöcher im Embargo-Beschluss verweisen.

Derweil spricht ein Kommentar in People's Daily einerseits von "russischem Militärpersonal, das in der östlichen Ukraine eingesetzt wird, um Russlands legitime Interessen zu schützen", andererseits sei aber "eine unabhängige, vollständige und stabile Ukraine im besten Interesse aller, einschließlich Chinas".