Deutschland will schneller abschieben

...und Zuwanderung vom Balkan erschweren: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien sollen zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklärt werden

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In der Regierungskoalition könnte es einen neuen Streit um die Flüchtlingspolitik geben. Der Grund ist eine Gesetzesinitiative des Bundesinnenministeriums, die die Ruhrnachrichten öffentlich gemacht haben. Das Blatt schreibt über die ministeriellen Pläne: "Danach sollen die Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien künftig als 'sichere Herkunftsstaaten' eingestuft werden."

Das würde es der Bundesregierung ermöglichen, Menschen aus diesen Ländern innerhalb kurzer Zeit abzuschieben, wenn ihr Asylantrag abgelehnt wird. Diese Zielsetzung wird im Gesetzentwurf klar ausgedrückt: "Ziel" sei es, den Aufenthalt dieser Personen in Deutschland "schneller beenden zu können", zitieren die Ruhrnachrichten aus dem Text.

Kernforderung der CSU erfüllt

Applaus kam erwartungsgemäß aus der CSU: Deren Generalsekretär Andreas Scheuer erklärte: "Damit wird eine Kernforderung der CSU erfüllt". Das Interesse der wirklich Schutzsuchenden müsse gewahrt werden, aber: "Wer keinen Anspruch hat, soll gar nicht erst einen Anreiz haben zu kommen."

Führende SPD-Politiker hingegen lehnten die Pläne zur Verschärfung des Asylrechts ab, zumindest vorerst. Dabei argumentierten sie allerdings nicht inhaltlich sondern monierten, dass nachträglich am Koalitionsvertrag gerüttelt würde. So erklärte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Michael Hartmann:

"Man kann nicht nachträglich etwas vorschlagen, weil man es in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen konnte."

Die Auseinandersetzung erinnert an einen anderen flüchtlingspolitischen Streitpunkt in der Bundesregierung: die doppelte Staatsbürgerschaft. In diesem Fall wollen drei von der SPD mitregierte Bundesländer mit einer Gesetzesinitiative eine liberale Fassung durchsetzen, als sie im Koalitionsvertrag verabschiedet wurde, und die Union wirft der SPD Verletzung des Koalitionsvertrags vor. Ob im Fall der sicheren Drittstaaten von der SPD das letzte Wort schon gesprochen ist, darf bezweifelt werden.

Menschen aus Osteuropa nicht willkommen

Schließlich bezieht sich die Initiative aus dem Bundesinnenministeriums ganz offen auf eine Kampagne gegen Menschen aus Osteuropa, die in Deutschland auf ein besseres Leben hoffen. Den Zusammenhang leugnet der Unions-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer gar nicht, wenn er auf Vorwürfe, mit der Erklärung der fünf Länder zu sicheren Herkunftsstaaten den Koalitionsvertrag zu missachten, äußert:

"Die Ausweitung auf die fünf Länder ist richtig, da zum Zeitpunkt der Koalitionsverhandlungen die aktuellen Entwicklungen nicht absehbar waren."

Mayer verweist auf die steigenden Asylzahlen und die vielen Ablehnungen von Asylanträgen von Menschen aus dem Balkan. Doch die Gesetzesverschärfung erfüllt Forderungen, die von Kampagnen erhoben werden, die oft von rechten Gruppen initiiert werden. Hier konzentriert sich die Hetze auf Roma in Osteuropa.

Gerade für sie sind die fünf genannten Länder keine "sicheren Drittstaaten". Dort sind sie immer wieder Angriffen von rechten Gruppen und Einzelpersonen ausgesetzt. Diese Angriffe wurden von offiziellen Stellen und Medien oft ignoriert und bagatellisiert. Der Gesetzesentwurf ist nur ein neues Beispiel dafür.

Egal ob er Erfolg hat oder nicht, er bestimmt den politischen Diskurs eindeutig mit der Botschaft, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien sind keine Länder, aus denen die Menschen willkommen sind, sondern sichere Drittstaaten, in denen sie abgeschoben werden können.