Aufbruch ins Holodeck

Für zwei Milliarden Dollar hat Facebook den Virtual-Reality-Spezialisten Oculus VR gekauft. Wer steckt hinter der umjubelten Brille? Technology Review hatte sich vor dem Deal mit dem Gründer Palmer Luckey getroffen.

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  • Jens Lubbadeh

Für zwei Milliarden Dollar hat Facebook den Virtual-Reality-Spezialisten Oculus VR gekauft. Wer steckt hinter der umjubelten Brille? Technology Review hatte sich vor dem Deal mit dem Gründer Palmer Luckey getroffen.

Was wäre die Welt ohne "Star Trek"? Möglicherweise eine ohne Mobiltelefone und Trikorder. Und nun kommt vielleicht auch bald noch das Holodeck – dank dem Enthusiasmus eines 20-Jährigen.

Palmer Luckey ist in der realen und in der virtuellen Welt groß geworden. Ob "Star Trek"-Holodecks, die "Matrix", der Cyberspace aus dem "Rasenmähermann" oder Neal Stephensons genreprägender Cyberpunk-Roman "Snow Crash": "Ich bin mit diesen ganzen Einflüssen aufgewachsen und habe immer davon geträumt, einmal Videospiele mit VR-Technologie spielen zu können", sagt er. So etwas muss es doch schon geben, dachte sich der junge Luckey.

Auf seiner Suche häufte er die mittlerweile weltgrößte Sammlung sogenannter Head-Mounted-Diplays (HMD), also Virtual-Reality-Brillen, an. Und erkannte dabei: Die VR befand sich in einem erbärmlichen Zustand. "Selbst die Headsets im Profi-Bereich, zu Preisen von mehreren Zehntausend Dollar, boten nicht mal annähernd die Performance, die ich suchte." In den frühen Jahren der VR war die Rechenleistung nicht ausreichend, um die komplexen 3D-Welten in Echtzeit flüssig ausgeben zu können. Und die Ausgabegeräte waren Bildschirme, die Bilder erzeugten, zwar direkt am Kopf, aber noch längst nicht im Kopf.

Luckey nimmt die Sache selbst in die Hand, geht an das Institute for Creative Technologies der University of Southern California und fängt gleichzeitig in seiner Garage an zu basteln. Einige Zeit später, im Juni 2012, präsentiert er auf der Electronic Entertainment Expo E3, der weltgrößten Videospiele-Messe, seinen sechsten HMD-Prototyp, nun schon Rift getauft. Es gelingt ihm, damit die Aufmerksamkeit von Programmierer-Legende John Carmack zu wecken, dem Mitgründer der Software-Schmiede id und dem Erschaffer der Ego-Shooter-Mutter "Doom". Carmack ist hellauf begeistert und passt sein Spiel "Doom 3" an die Rift an. Als die beiden diese Demo der Presse vorführen, war die Reaktion in den Worten von Luckey "überwältigend". "Es war klasse zu sehen, dass auch so viele ,normale' Gamer an der Rift interessiert waren."

Aus Spaß wird Ernst. Noch im Juli gründet Luckey Oculus VR und startet im August 2012 eine Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter. 250000 Dollar setzt er als Finanzierungsziel für seine Oculus Rift. Nach 30 Tagen hat er das Zehnfache. Weitere Spieleprogrammierer springen auf. Im März 2013 liefert Oculus die ersten Developer-Kits aus, die Presse ist voll des Lobs, und VR-Experten sind sich sicher: Die Oculus Rift ist ein echter Game Changer. Nicht nur in Sachen Gaming: "Diese Technologie wird die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und spielen, revolutionieren", versichert Luckey. Wenn er redet, sondert er zitierfähige Soundbissen ab. Hier ist noch einer: "Dies ist nicht nur ein neues Medium – in vielerlei Hinsicht ist es das ultimative Medium." Oder: "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Virtual Reality allgegenwärtig ist."

Nur: Das hat man alles bereits gehört – vor über zwanzig Jahren, als die neue virtuelle, damals noch recht grobpixelige Welt schon einmal als das nächste große Ding galt. Anfang der 90er, da war Palmer Luckey noch nicht geboren, entstanden die ersten kommerziellen VR-Spiele, und viele Zukunftsprediger glaubten, dass wir uns bald alle nur noch mit Techno-Brett vorm Kopf durch den Cyberspace bewegen würden. Warum also soll ausgerechnet die Oculus Rift der Durchbruch sein?

Weil sie erstmals das Gefühl echter Immersion bietet, ihren Träger also vollständig in die künstliche Welt hineinzieht. Das schafft sie dank ihres großen 110-Grad-Displays. Bisherige HMDs schafften nur 40. Auch die Sensoren sind viel feiner und schneller als alles davor Dagewesene: Ein Drei-Achsen-Gyrometer und Beschleunigungssensoren erfassen Bewegungen, Magnetosensoren registrieren Kopfdrehungen des Nutzers, das Bild wird verrechnet und umgehend angepasst. Die Entwicklerversion der Rift war bereits so überzeugend, dass Luckey kurz darauf 16 Millionen Dollar an Investorengeldern einsammelte. Die Welt, so scheint es, ist bereit für VR.

Doch es gibt noch Unwägbarkeiten. Luckey will den Preis unter 300 Dollar halten – "wenn ein Gerät zu teuer ist, existiert es nicht". Dafür muss er Kompromisse eingehen, beispielsweise bei der Auflösung. Das Developer-Kit bot 640x800 Pixel pro Auge. Die Endkundenversion hingegen soll Full-HD haben, vielleicht sogar 4K, wie Oculus-CEO Brendan Iribe berichtet. Die größte Herausforderung aber dürfte der Nutzer sein: Selbst erfahrenen Gamern wurde mit der Rift übel.

Entscheidender Faktor ist die Latenzzeit, mit der Kopfbewegungen des Nutzers in Bildänderungen umgesetzt werden. Ist sie zu hoch, verschwimmt das Bild bei schnellen Bewegungen, was sich unangenehm anfühlt. Oculus-CEO Iribe, dem selbst anfangs in nur zwei Minuten schlecht wurde, schafft mit der gängigen Version eine Spieldauer von 45 Minuten. Er verspricht: "Die Oculus Rift wird keine Übelkeit verursachen. Sie wird für jeden funktionieren." Hoffentlich behält er recht. Wem nützt schon virtuelle Realität, wenn sie sich schlecht anfühlt? (jlu)