50 Jahre "Operation Brother Sam"

USA geben Dokumente zur Rolle der CIA beim Militärputsch in Brasilien frei

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Fünf Monate, nachdem die USA mit dem Kennedymord selbst einen gewaltsamen Regimewechsel erlebten, war es am 1.April 1964 auch für Brasilien an der Zeit, sich von einem lästigen Staatschef zu trennen. Präsident João "Jango" Goulart hieß der Schurke, der 15% des Staatsetats in Bildung investieren wollte, eine Bodenreform plante und über die Steuer dafür sorgen wollte, dass Gewinne der Industrie im Land blieben. Bereits in den 1940er Jahren hatte sich "Jango" erdreistet, Brasilianer schwarzer Hautfarbe in den aristokratischen "Clube Comercial" zu lassen. Da sich Goulart auch nicht für Sanktionen gegen Kuba begeistern wollte, verdächtigte man ihn in Washington, selbst dem Kommunismus anheim gefallen zu sein.

Die Pläne hatte die Regierung Kennedy zu verantworten. Bevor sich JFK im Jahr nach der Kubakrise zum Staatsmann von Format entwickelte und gegenüber Militärs und Geheimdiensten eine zunehmend kritische Haltung entwickelte, war der US-Präsident ursprünglich ein glühender Fan der CIA gewesen. Während im Sommer 1962 die Sowjets heimlich ihre Atomraketen nach Kuba einschmuggelten, sinnierten US-Botschafter Gordon und Kennedy im Weißen Haus darüber, ob man Goulart zu einer Säuberungsaktion gegen die linken Kräfte Brasiliens bewegen könne oder ob Brasiliens Präsident gehen müsse. Die Demokraten entschieden, konservativen Militärs Wohlwollen für einen Putsch zu signalisieren, gerne noch dieses Jahr. Kennedy schickte CIA-General Vernon Walters, der auch in den folgenden Jahrzehnten nahezu überall aufzutauchen pflegte, wenn ein Land destabilisiert sein wollte.

Während der Kubakrise leistete Goulart Kennedy wertvolle Hilfe, da Washington und Havanna über Goulart heimlich ohne Gesichtsverlust kommunizieren konnten. Doch Jangos geringen Eifer, Kuba aus der Organization of American States (OAS) auszuschließen, wollten ihm die US-Strategen nicht nachsehen. Kennedy äußerte sogar, er sei über Brasilien beunruhigter als über Kuba.

Im Dezember 1962 beschloss man im Weißen Haus, dem brasilianischen Volk entschlossener zu dessen Glück zu verhelfen. Robert Kennedy, der einst in Senator McCarthys berüchtigtem Komitee gegen unamerikanische Umtriebe gesessen hatte, begab sich zu Goulart, um diesem die Gefahren des Kommunismus vor Augen zu führen. Doch Goulart erschien Kennedy als ein brasilianischer Jimmy Hoffa – jenem Erzfeind Robert Kennedys, der sich gleichermaßen in der Rolle als Mafia- und Kommunistenjäger gefiel. Botschafter Gordon verdächtigte Goulart der Komplizenschaft mit der Kommunistischen Partei Brasiliens und malte sich Brasilien als das nächste China aus.

Im März 1963 meldete die CIA die Aussicht auf konservative Kräfte, die Goulart ersetzen würden. Als im Oktober 1963 die Regierung Kennedy realisierte, dass Goulart nicht zur Vernunft käme und sich die Dinge nicht von alleine regelten, erwog man sogar eine eigene militärische Intervention, entschied sich jedoch der CIA-Tradition folgend zur materiellen Unterstützung eines rechtsgerichteten Putschs.

In Brasilien war insbesondere die US-Telefongesellschaft ITT aktiv, deren Boss mit dem neuen CIA-Chef John McCone befreundet war, so dass die Firma als Cover für Operationen wie die Finanzierung von Oppositionellen fungierte. Nach Art des Hauses CIA lancierte man Schwarze Propaganda gegen Goulart. Als im März 1964 Goularts Generäle hinreichend unzufrieden mit der Situation waren, versorgte sie Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson plangemäß mit Treibstoff und Munition. Black Ops-Spezialist Vernon Walters war persönlich im Einsatz. Die Zusammenarbeit zwischen ITT und der CIA bewährte sich später auch 1973, als Chile vom "kommunistischen" Präsident Salvador Allende "befreit" wurde.

Die Militärs setzten die Bürgerrechte außer Kraft und verboten alle politischen Parteien außer der nationalistischen Aliança Renovadora Nacional (ARENA) und einer mit harter Hand kontrollierten Pseudopartei Movimento Democrático Brasileiro (MDB). Der Marsch auf den Präsidentenpalast bewegte Goulart zur Flucht nach Uruguay. Später übersiedelte er nach Argentinien. Goulart starb 1976 mit nur 58 Jahren, angeblich an Herzschlag. Es mehren sich jedoch die Hinweise auf einen Giftmord, den der brasilianische Putschist und damalige Staatspräsident Ernesto Geisel beauftragt haben soll. 30.000 Menschen nahmen am Begräbnis teil.

Die einst geschmiedeten Pläne für eine US-Militärinvasion in Brasilien unterliegen bis heute noch immer der Geheimhaltung. Die Überlegungen zwischen Kennedy, seinen Beratern sowie Botschafter Gordon hingegen sind durch Kennedys geheimes Tonbandsystem erhalten und nun öffentlich. Brasilien konnte damals gerade noch rechtzeitig vor dem Übel des "Kommunismus" gerettet werden. Vorbildlich geht dort bis heute die Schere zwischen Arm und Reich weit auseinander. Die Tradition US-amerikanischer Geheimdienstaktivitäten in Brasilien wurde bis in die jüngste Zeit fortgesetzt.

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