Klima: Die Zeit wird knapp

Der Weltklimarat IPCC rät zum raschen Umsteuern in der Klimapolitik

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In Berlin hat letzte Woche, wie berichtet, die Arbeitsgruppe III des Weltklimarates getagt, genauer: des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change – Zwischenstaatlicher Ausschuss für Fragen des Klimawandels). Am Sonntag wurde die Zusammenfassung seines Berichts der internationalen Öffentlichkeit vorgestellt.

Gemeinsam mit den im Herbst 2013 und Ende März 2014 veröffentlichten Teilberichten bildet der Bericht der Arbeitsgruppe III den neuen Sachstandberichts des IPCC, den fünften seit 1988. Dieser soll die wissenschaftliche Grundlage für die derzeit stattfindenden internationalen Klimaschutzverhandlungen liefern. Im Herbst 2015 werden diese nach bisheriger Planung auf einem UN-Klimagipfel in Paris in ein neues Abkommen münden, einem Protokoll, das sozusagen die neuen Ausführungsbestimmungen für die UN-Klimaschutzkonvention enthalten wird.

Arbeitsgruppe III hatte die Aufgabe, Vermeidungsstrategien zu untersuchen und vorzuschlagen. Dazu hat sie unter anderem etwas über 900 verschiedene Szenarien für wirtschaftliche Entwicklung, globale Klimaschutzmaßnahmen und die resultierenden Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre unter die Lupe genommen.

Das Ergebnis: Die Stabilisierung der globalen Mitteltemperatur bei maximal zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau ist noch möglich, aber erfordert rasches Handeln. Je länger Maßnahmen hinaus geschoben werden, desto teuer wird der notwendige Umbau der Energieversorgung und der industriellen Prozesse. In den kostengünstigsten Szenarien sind die Treibhausgasemissionen 2030 bereits mindestens auf dem Niveau von 2010 stabilisiert oder liegen bereits bis zu 40 Prozent darunter.

Bis zur Mitte des Jahrhunderts müssten die Emissionen bereits 40 bis 70 Prozent niedriger als 2010 sein, um im Jahre 2100 nur noch bei höchstens 22 Prozent oder gar im negativen Bereich zu liegen. Letzteres hieße, dass der Atmosphäre durch Aufforstung oder andere Maßnahmen aktiv CO2 entzogen werden müsste.

Denkbar ist zum Beispiel, die CO2-Emissionen von Biomasse- oder Biogaskraftwerken zu binden oder Ackerböden mit Holzkohle anzureichern, was in Verbindung mit organischem Material unter Umständen zugleich eine erhebliche Verbesserung der Fruchtbarkeit bewirken könnte. Die Forschung hierzu ist allerdings noch lange nicht abgeschlossen. (Siehe zum Beispiel das Terraboga- oder das Climacarbo-Projekt.

Die anderen Standbeine einer erfolgreichen Vermeidungsstrategie sind dem IPCC-Bericht zufolge erhebliche Steigerung der Energieeffizienz und der Umstieg auf eine kohlenstoffarme Energieversorgung. Hier kommt vor allem dem Stromsektor eine wichtige Rolle zu, wo der Umstieg besonders schnell gelingen könnte. Pflichtgemäß, weil nun mal auch hierzu diverse Studien vorliegen, zählen die IPCC-Autoren die Atomkraft als eine Klimaschutzoption auf, allerdings nicht ohne auf Risiken und Widerstände in den Bevölkerungen zu verweisen.

Das Mittel der Wahl ist aber auf jeden Fall der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Diese hätten 2012 bereits rund die Hälfte der neuen Kraftwerkskapazitäten ausgemacht – was nicht heißt, dass sie auch auch 50 Prozent des mit diesen erzeugten Stroms liefern – und seien inzwischen im großen Maßstab verfügbar. Dennoch seien sie aber im Augenblick noch auf Unterstützung angewiesen, um ihren Marktanteil rasch vergrößern zu können.

Auch der Ersatz alter Kohlekraftwerke durch moderne Gaskraftwerke wird vom IPCC als Maßnahme gegen den Klimawandel empfohlen. Gaskraftwerke sind zwar nicht CO2-frei, erzeugen aber nur rund die Hälfte der Emissionen eines modernen Steinkohlekraftwerk. Das Verhältnis zu von deutschen Konzernen und der Bundeskanzlerin so geliebten Braunkohlekraftwerken ist sogar noch besser.

Der IPCC wurde 1988 von der Weltmeteorologieorganisation WMO und dem UN-Umweltprogramm UNEP gegründet. In der WMO sind die nationalen Wetterdienste zusammengeschlossen. Seine Aufgabe ist die Zusammenfassung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes rund um den Klimawandel.

Dem IPCC gehören 195 Staaten an, deren Regierungen die derzeit 31 Mitglieder der Vorstände des IPCC und seiner drei Arbeitsgruppen wählen. Außerdem haben sie auf den Plenarsitzungen ein Stimmrecht in Fragen des Arbeitsprogramms des IPCC. Dort können sie auch Einfluss auf die Formulierung der jewels etwa drei Dutzend Seiten langen Zusammenfassungen der Berichte für die Entscheidungsträger nehmen.

Die mehrere tausend Autoren der IPCC-Berichte sind Wissenschaftler, die von den IPCC-Vorständen aus Vorschlagslisten der Regierungen ausgesucht wurden. Alle Wissenschaftler arbeiten ehrenamtlich. Die einzigen Zuwendungen sind Unterstützungen für im Rahmen der IPCC-Arbeit notwendige Reisen für Wissenschaftler aus Entwicklungsländern. Die Arbeit wird von einem kleinen, 12köpfigen Sekretariat am Sitz der WMO in Genf koordiniert.