US-Militärhilfe für Ägyptens Putschregierung

Demokratie steht nicht auf der Agenda: Die US-Regierung hat die Beziehungen zum ägyptischen Regime wieder normalisiert

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Das Pentagon hat die Lieferung von zehn Apache-Helikoptern an das Militär in Kairo angekündigt. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel habe seinen Amtskollegen Sidki Subhi über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt, hieß es aus Washington.

"Wir glauben, dass diese neuen Hubschrauber der ägyptischen Regierung im Kampf gegen Extremisten, die die Sicherheit der USA, Ägyptens und Israels bedrohen, helfen werden", sagt Pentagon-Sprecher John Kirby. Die USA hatte die Militärhilfe für Ägypten im vergangenen Jahr eingefroren, nachdem die ägyptische Armee unter Führung von Abd al-Fattha al-Sisi den demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi von der Moslembrüderschaft gestürzt hatte.

Nach Einschätzung von Außenminister Kerry könne die US-Regierung derzeit noch nicht feststellen, dass die neue Regierung in Kairo einen Übergang zur Demokratie unterstütze. Politische Beobachter sprechen eher von einer anderen innenpolitischen Entwicklung in Ägypten. Unter General Sisi, der sich bald zum zivilen Präsidenten wählen lassen will, ist Ägypten in seine autoritärste Phase getreten. Selbst die Mubarak-Herrschaft kann dagegen noch als liberal bezeichnet werden.

Unterdrückung jeglicher Opposition und der Presse

Selbst der regierungsnahe ägyptische Menschenrechtsrat kam kürzlich in einem Untersuchungsbericht zu der Feststellung, dass es sich bei den 632 Menschen, die bei der Räumung von Protestcamps gegen den Putsch ums Leben kamen, überwiegend um friedliche Demonstranten gehandelt habe. Sie hatten nichts anders gefordert als die Wiedereinsetzung eines demokratisch gewählten Präsidenten, also eigentlich eine bürgerlich-demokratische Selbstverständlichkeit.

Nur weil es sich bei dem demokratisch gewählten Präsidenten um einen Moslembruder handelte und seine Anhänger in der Regel in die Nähe von islamistischen Fanatikern gerückt werden, gab es keinen weltweiten Aufschrei gegen die Massenrepression, die auch nach der blutigen Räumung der Protestcamps nicht abebbte.

Vor einigen Wochen verhängte ein ägyptischer Richter im Schnellverfahren 529 Todesurteile gegen vermeintliche Teilnehmer der Proteste gegen die Absetzung von Mursi. Plädoyers der Verteidigung wurden erst gar nicht zugelassen . Gleichzeitig läuft seit Wochen ein Prozess gegen 20 in- und ausländische Journalisten, die als terroristische Mariott-Zelle angeklagt sind.

Mariott ist ein ägyptisches Hotel, in dem sich viele der Journalisten einquartiert hatten. In dem Prozess, in dem die Angeklagten in Käfigen vorgeführt wurden, präsentierte die Anklage auch "Beweise" für das terroristische Treiben der Journalisten, wie ein Taz-Korrespondent aus Kairo schrieb:

"Kistenweise wurden dem Richter im Verfahren gegen den Australier Peter Greste alltägliche Geräte der Fernseharbeit, bis hin zu elektrischen Kabeln und einer Computertastatur, vorgeführt. Der Vorsitzende Richter kämpfte damit, die Kisten zu öffnen und verzählte sich zwischendrin bei der Zahl der Kameras. Unklar ist, was die Staatsanwaltschaft mit diesen Ausrüstungsgegenständen zu beweisen sucht."

Längst ist auch die nichtislamistische Opposition ins Visier der ägyptischen Repressionsorgane geraten. Weltweit gibt es kaum Kritik an dem autoritären Kurs der Regierung.

Dämonisierung einer demokratisch gewählten Regierung

Man stelle sich die Reaktionen in aller Welt vor, wenn es unter der Herrschaft Mursis einen politischen Massenprozess mit Todesstrafen und eine Inhaftierung kritischer Journalisten gegeben hätte. Eine internationale Protestwelle wäre die richtige Konsequenz gewesen.

Nur bleibt diese jetzt aus, wo nicht die Islamisten, sondern die alten Eliten den Terror vorantreiben. Die freie Journalistin Charlotte Wiedemann untersucht seit Jahren, wie weltweit bestimmte Regierungen und politische Strömungen politisch dämonisiert werden, damit dann als Reaktion auf sie jedes poltische Mittel legitimiert scheint, um sie zu bekämpfen. Genau dies ist anscheinend bei der ägyptischen Moslembruderschaft der Fall.

Die Bewegung hat sicher keinerlei emanzipatorische Ziele und es gibt für ägyptische Liberale und Linke genügend Gründe, um die Moslembrüder politisch zu bekämpfen und gegen jede Machtanmaßung zu protestieren. Doch es gibt keinen Grund, den blutigen Feldzug der alten ägyptischen Eliten gegen die Moslembrüder und alle Oppositionellen in irgendeiner Weise zu rechtfertigen, schon gar nicht mit der Regierungspraxis von Mursi.

Der zeigte sich als inkompetenter Politiker, dem aber keine gravierenden Menschenrechtsverletzungen und schon gar keine blutige Abrechnung mit der Opposition nachzuweisen ist. Charlotte Wiedemann bringt diesen Zusammenhang in einer Kolumne so auf den Punkt:

"Wie es zu Ägyptens Absturz in die Militärautokratie kam, wird von Legenden vernebelt. Die US-amerikanischen Nahost-Experten Shadi Hamdi und Meredith Wheeler Meredith untersuchten die Regierungszeit von Mohammed Mursi jüngst anhand von Parametern, die in der Politikwissenschaft üblich sind, um die Entwicklung von Übergangsgesellschaften nach dem Sturz autokratischer Regime zu bewerten. Der Befund: Im globalen Maßstab sei Mursi, trotz Anmaßung und Inkompetenz, eher Durchschnitt gewesen; auf der Skala zwischen Demokratie und Autokratie habe das Mursi-Ägypten keineswegs am unteren Ende rangiert. Der Putsch, sagen die Forscher, sei legitimiert worden 'durch eine grundlegende Fehldeutung und Verzerrung dessen, was vorher geschah.'"

Doch ein Terroristenprozess gegen Journalisten, drohende Massenhinrichtungen und eine Repression gegen sämtliche Fraktionen der oppositionellen Bewegung sind keine Kriterien für US-Militärhilfen. Die habe Ägypten nach Angaben der US-Außenministers an den Kongress erfüllt.

Zu den Kriterien gehöre, dass die Führung am Nil "ihren Verpflichtungen aus dem ägyptisch-israelischen Friedensvertrag nachkommt und gute Verhältnisse zu den USA anstrebt".