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Stay-Behind-Geheimagenten im Luxemburger Zeugenstand

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Nachdem im Luxemburger Bombenleger-Prozess etliche Polizisten, Politiker und Geheimdienstchefs die 1980er Jahre im Großherzogtum Revue passieren ließen, werden diese Woche vor Gericht gestandene Geheimagenten seiner Majestät befragt. Den Auftakt machte am Montag Jean Kuffer, der für das Luxemburger Stay Behind-Netzwerk „Plan“ auf den selbigen trat. Wie stets tickerte das Luxemburger Tageblatt und Wort aus dem Gerichtssaal.

Die NATO-Staaten unterhielten während des Kalten Kriegs sogenannte Stay-Behind-Einheiten von paramilitärisch ausgebildeten Zivilisten, die im Kriegsfall einen Widerstand organisieren, Sabotage verüben und von innen Feinde bekämpfen sollten. Bislang hält die NATO alle Unterlagen über Stay Behind unter Verschluss. Im Bommeleeër-Prozess wurde erstmals bekannt, dass die national organisierten Stay-Behind-Einheiten auch länderübergreifend gemeinsame Übungen durchführten. Stützpunkt der NATO-Geheimagenten war das pittoreske Schloss Senningen, wo Luxemburg ansonsten Staatsgäste zu empfangen pflegt.

Streitig ist, ob die Stay Behind-Einheiten autonom handelten, wie es die Ermittler darstellen, oder ob sie unter NATO-Befehl standen, wie es Anwalt Vogel argwöhnt. Der Strafverteidiger, dem inzwischen allerhand zugetragen wurde, verweist als mögliches Motiv für die Bombenserie auf ein Schriftstück des Regierungsrats vom 19. April 1985, in dem Washington Druck auf Luxemburg ausgeübt habe, mehr in die Verteidigung zu investieren.

Der Luxemburger Geheimagent Jean Kuffer arbeitete ursprünglich bei der Post, als er 1976 zum Geheimdienst SREL wechselte, wo er für technische Aufgaben, aber auch als Ausbilder tätig war. Seine eigene Ausbildung erhielt Agent „HH“ bei 007 in Großbritannien, wo er im Fallschirmspringen, in Küstenanlandung und Anlegen von Landeplätzen unterwiesen wurde, sowie im Umgang mit Plastiksprengstoff. Es sei hauptsächlich um Infiltration und Informationsbeschaffung gegangen. Auch in Deutschland absolvierte er einen Lehrgang zur Lauschabwehr. Zu Kuffers Kollegen gehörte auch „GG“, der spätere Luxemburger Geheimdienstchef Charle Hoffmann.

Kuffer bildete zwischen sieben und acht Plan-Agenten aus und führte diese. Es handelte sich um Funker, welche im Kriegsfalle als einzige die Kommunikation mit Luxemburg gewährleistet hätten und daher für Kommandoaufgaben zu wertvoll waren. Während Kuffer im Umgang mit Sprengstoff einen halben Tag lang ausgebildet wurde, bestritt er, seine Leute entsprechend unterwiesen zu haben, diese hätten nicht einmal Waffen besessen. Kuffer gab an, dass seine Handbücher vom Allied Clandestine Committee (ACC) gekommen seien, bei dem alle zwei Jahre ein anderes Land die Führung übernommen habe. Auch Schleusungen seien geübt worden.

Nach der Auflösung von Stay Behind 1990 soll eifrig geschreddert worden sein. Da über alles mögliche Buch zu führen war, dürfte das viel Arbeit gewesen sein. Kuffer gab an, dass wegen Stay Behind etliche Leute damals äußerst nervös waren. Er berichtete, dass er selbst bei der Suche und beim Auflösen des geheimen Waffenlagers mitwirkte. Der Agent sowie zwei seiner Kollegen werden am heutigen Dienstag weiter verhört. Demnächst soll auch der belgische Ex-Söldner und Enthüllungsautor Lucien Dislaire gehört werden, der allerdings einen schillernden Eindruck macht.