TISA: Die Freihandelszone nach TTIP und ACTA

ACTA wurde durch internationale Kritik gestoppt, mit dem Freihandelsabkommen TTIP könnte es entsprechend laufen, jetzt erfahren wir von TISA, das in eine ähnliche Richtung zielt

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Das "Trade in Services Agreement" (TiSA) ist ein von den USA, der EU und 21 kleineren Ländern verhandelter Vertrag mit dem Ziel, Handelshemmnisse im öffentlichen Dienstleistungssektor zu beseitigen und dadurch neue Marktchancen zu öffnen. Die Gespräche wurden, wie man jetzt erfuhr, bereits vor einem Jahr aufgenommen – begleitet von der bereits von ACTA und TTIP bekannten und allseits heftig kritisierten Geheimhaltung.

Die Sprache in den bisher geleakten Dokumenten ähnelt der bisheriger "Freihandelsabkommen" verdächtig, nur die unmittelbare Zielrichtung unterscheidet sich. Standen bislang die Verhinderung von Handel mit gefälschten Produkten oder der allgemeine Abbau von Handelshindernissen im Vordergrund, so zielt TISA zunächst auf den öffentlichen Sektor. Also die in Europa sehr kontrovers diskutierte Privatisierung von Wasserversorgung, Nahverkehr, Gesundheitseinrichtungen, Bildungsstätten und anderen Angeboten, die auf dem alten Kontinent traditionell von Betrieben in öffentlichem Besitz bereitgestellt werden. Die bisherigen Erfahrungen mit der Privatisierung solcher Dienste waren auch durchaus ambivalent.

Das heißt aber nicht, dass die Interessenlage des Vertragswerks auf diesen wichtigen Sektor beschränkt sein soll. Der Entwurfstext beschreibt ausdrücklich, dass jederzeit weitere Punkte einfließen sollen – wäre der Vertrag erst einmal unterzeichnet, könne man so neue Marktchancen für einzelne Unternehmen einrichten, während der demokratische Mitgestaltungsspielraum der Bevölkerung aufs Minimum reduziert ist.

Die Gewerkschafts-Dachorganisation Public Services International (PSI) hat aus diesem Anlass bereits am Montag, den 28.4., eine ANTI-TISA-Demonstration in Genf abgehalten und warnt in ihren Publikationen vor den Gefahren einer weiteren Kommerzialisierung des öffentlichen Sektors; weitere öffentliche Aktionen sind angekündigt.

Nicht mit im Boot sind übrigens die fünf BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika, die mit einem solchen Abkommen anzunehmender Weise nur verlieren würden; also dürfte der grenzüberschreitende Widerstand gegen ein weiteres Vordringen US-amerikanischer und internationaler Konzerne auf den öffentlichen Sektor vor allem durch die "zweite Welt" der aufstrebenden Schwellenländer außerhalb der "G7" gestärkt werden.

Angesichts der bevorstehenden Wahl des EU-Parlaments (in Deutschland am 25. Mai) könnte die aktuelle Veröffentlichung solcher internationaler Vertragsverhandlungen mit dem Ziel einer gesteigerten Privatisierung des öffentlichen Dienstleistungssektors durchaus den kleineren, progressiveren Parteien in die Hände spielen – schließlich wurde Kapitalismuskritik durch die Occupy- und Anti-ACTA-Bewegung wenn schon nicht hoffähig, so doch zumindest in weiten Teilen der Öffentlichkeit wieder akzeptierter. Das Schicksal sowohl von TTIP als auch TISA wie den kommenden Vertragsversuchen wird jedenfalls vom nächsten EU-Parlament maßgeblich mitbestimmt und damit an den Wahlurnen im Mai mit entschieden werden, mehr als in den oberen Konzernetagen und Kommissionsbüros.