Kommentar: Waffenstillstand zwischen Google und Apple - nur ein erster Schritt

Google und Apple beenden ihre Patentstreitigkeiten und wollen bei der Reform des Patentrechts mitarbeiten. Erforderlich wären jedoch grundsätzliche Änderungen beim Umgang mit den Schutzrechten, findet iX-Redakteur Christian Kirsch.

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Von
  • Christian Kirsch

"Der Klügere gibt nach", sagt man Kindern gern. Ohne zu erwähnen, dass die Dummen die Weltherrschaft übernähmen, hielten sich alle an diese billige Regel. Sinnvoller machen es jetzt Google und Apple: Die Streithähne beerdigen das Kriegsbeil und verzichten auf die Klärung, wer bei den Patentstreitigkeiten nun Recht hat oder der Klügere ist. Nach Jahren vor Gerichten und Wettbewerbsbehörden in der ganzen westlichen Welt ist das ein erster Hoffnungsschimmer, dass die albernen Auseinandersetzungen allgemein ein Ende finden könnten.

Zumal sich immer deutlicher abzeichnet, dass niemand diesen Krieg gewinnen wird. Denn Verkaufsverbote, wie sie Hersteller für andere Wirtschaftsgüter bei Patentverletzungen wirksam einsetzen, ergeben im schnelllebigen IT-Markt wenig Sinn. Bis ein solches Verbot letztinstanzlich erwirkt ist, haben längst Nachfolger die betroffenen Geräte abgelöst, die häufig die jeweiligen Patente umgehen. Der darüber hinaus verhängte Schadenersatz in Kombination mit einer Geldstrafe, was in den USA üblich ist, erreichte in den letzten Monaten bei weitem nicht die von den Klägern erhofften Milliardenbeträge. Konzerne wie Apple, Google und Samsung jucken solche Beträge ohnehin nur kurz.

Ein Kommentar von Christian Kirsch

Christian Kirsch war Software-Entwickler, dann betreute er 15 Jahre lang als iX-Redakteur vor allem Software-Themen. Heute ist er freier IT-Journalist. Seit ihn das Gefummel mit Linux-Upgrades zu sehr nervte, nutzt er ein Apple-Notebook. Inzwischen arbeitet er nur noch mit Macs, auch für Software-Entwicklung – mit wachsendem Unwohlsein.

Außerdem mussten Google wie Apple erkennen, dass ihr Patentportfolio längst nicht so schlagkräftig ist, wie sie angenommen hatten. Google dämmerte wohl schon vor einiger Zeit, dass die Übernahme von Motorola, für dessen Schutzrechte alleine sie rund 5,5 Milliarden US-Dollar gezahlt hatten, sich nicht lohnen würde. Auch Apple musste in den letzten Wochen in verschiedenen Gerichtssälen erfahren, dass auch viele seiner Patente, wiewohl immerhin selbst erarbeitet und nicht gekauft, einer genaueren Prüfung nicht standhalten. Vor allem europäische Gerichte akzeptieren reine Software-Erfindungen häufig nicht als patentwürdig.

In Zukunft wollen Google und Apple in den USA gemeinsam auf eine Reform des Patentrechts hinwirken. Dabei dürfte es allerdings nur auf ein Reförmchen hinauslaufen, denn die grundsätzliche Patentierbarkeit von Software oder Geschäftsverfahren stellt bislang keine der großen IT-Firmen in Frage. Ebensowenig steht das Konzept zur Disposition, Patente uneingeschränkt wie ein beliebiges Wirtschaftsgut zu behandeln.

Solange aber jede Briefkastenfirma ihre fragwürdigen Schutzrechte durch die Drohung mit Prozessen zum Abpressen von "Lizenzzahlungen" verwenden kann, ist das grundsätzliche Problem nicht gelöst. Für die Großen wie Apple und Google sind solche Klagen bloß Mückenstiche: Sie beschäftigen genügend gutbezahlte Anwälte und halten Prozesse zur Not auch durch mehrere Instanzen durch. Kleinere Firmen jedoch können sich das nicht leisten und knicken in außergerichtlichen Einigungen ein, was wiederum die Patenttrolle ermutigt.

Nötig wären grundlegende Änderungen für Patentinhaber, die keine Produkte herstellen, etwa eine verkürzte Gültigkeit – womöglich mit einer Ausnahme für Universitäten. Nötig wäre ebenso, vor allem in den USA, eine gründlichere Prüfung der Patentanträge sowie ein Ausschluss von Software und Geschäftsprozessen von diesem Schutz. Für Software gibt es das Urheberrecht, und warum sollte man Geschäftsprozesse überhaupt vor Nachahmern schützen? (ck)