Argentinien im Abwehrkampf gegen Hedgefonds und US-Justiz

Muss das Land mindestens die Hälfte seiner Finanzreserven an aggressive Finanzspekulanten zahlen?

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Nach der Abweisung einer Revisionsklage vor dem Obersten Gerichtshof der USA spitzt sich der Streit zwischen der Argentinischen Regierung und Hedgefonds wieder zu. Die Staatsführung des südamerikanischen Landes wehrt sich gegen Milliardenforderungen der Finanzspekulanten (Freiheit oder Hedgefonds?), die versuchen, aus der schweren Finanzkrise Argentiniens 2001 und 2002 Profit indirekt zu schlagen.

Die Richter in Washington hatten am Montag den Einspruch Argentiniens gegen das Urteil eines New Yorker Bezirksberichtes vom November 2012 zurückgewiesen. Damit müsste Argentinien kurzfristig 1,33 Milliarden US-Dollar an eine kleine Gruppe von Hedgefonds überweisen. In Buenos Aires werden nun Auswege aus der Krise diskutiert.

Der international viel beachtete Rechtsstreit ist ein spätes Erbe der argentinischen Staatspleite gut vor zehn Jahren. Im Januar 2002 hatte der damalige Präsident Eduardo Duhalde den Schuldendienst eingestellt und die Kopplung des Pesos vom US-Dollar aufgekündigt. Zwar stand das Land damals vor einem Schuldenberg von umgerechnet 100 Milliarden US-Dollar. In einem Umschuldungsprogramm konnte erreicht werden, dass ein Großteil der Gläubiger auf rund zwei Drittel ihrer Forderungen verzichtete. So gelang es, zwischen 2005 und 2010 immerhin 93 Prozent der ursprünglichen Ausstände umzuschulden.

Das Problem sind die übrigen sieben Prozent. In der Minderheitengruppe gibt es Gläubiger, die den ursprünglichen Nominalwert der Anleihen verlangen. Auf dem Höhepunkt der Krise hatten einige Hedgefonds um den US-Milliardär Paul Singer argentinische Staatsanleihen zum extrem niedrigen Marktpreis aufgekauft. Die Spekulanten setzten darauf, nach der Gesundung der Wirtschaft den Nominalwert erhalten zu können, was enorme Renditen bedeuten würde. Nun versucht der "Geierfonds", wie NML Capital in Argentinien nur noch genannt wird, seinen Plan über US-Gerichte realisieren. Unterstützt wird NML Capital von den Fonds Aurelius, Blue Angel und anderen.

Für Argentinien wird die Situation nach der Klageabweisung durch den Obersten Gerichtshof der USA wieder komplizierter. Dabei hatte die Regierung von Präsidentin Cristina Fernández jüngst Erfolge bei der angestrebten Wiedereingliederung in die internationalen Finanzmärkte verbuchen können. Vor wenigen Tagen handelte sie ein Abkommen mit dem Gläubigergremium Club of Paris über die Tilgung der 9,7 Milliarden US-Dollar Schulden geschlossen und die Publikation der Inflationszahlen zugesagt.

Wie die staatliche argentinische Nachrichtenagentur Télam ausführt, hat die Regierung von Präsidentin Fernández nach der Washingtoner Entscheidung nun zwei Optionen mit unterschiedlichen möglichen Konsequenzen. Zum einen könnte Argentinien die geforderten 1,33 Milliarden US-Dollar bezahlen. In diesem Fall gilt es aber als höchst wahrscheinlich, dass auch andere Gläubiger aus den geschlossenen Deals aussteigen und den Nominalwert ihrer Papiere fordern. Die britische BBC zitiert eine Studie der argentinischen Wirtschaftsanwaltskanzlei Cabanelas Etcheberne Kelly, nach der die Forderungen dann auf bis zu 20 Milliarden US-Dollar ansteigen könnten. Das wären rund zwei Drittel der Zentralbankreserven des Landes.

Die zweite Option wäre eine Zahlungsverweigerung. In diesem Fall müsste die Gläubigermehrheit mit den Hedgefonds über einen Ankauf der Papiere verhandeln. Denn das umstrittene New Yorker Urteil verfügt auch, dass die vertraglich klar terminierten Teilzahlungen an die Teilnehmer der Umschuldung gepfändet werden. Möglich ist das, weil die Überweisungen über die Bank of New York getätigt werden. Argentinien hätte daher auch die Möglichkeit, die Bank zu wechseln, um den Geldfluss über US-amerikanische Geldinstitute zu vermeiden. In diesem Fall dürfte ein weiteres juristisches Zerwürfnis mit den USA folgen.

Argentiniens Präsidentin Fernández wies die Washingtoner Entscheidung indes mit deutlichen Worten zurück. Ihre Regierung habe sich zu jedem Zeitpunkt verhandlungsbereit gezeigt, sagte die linksliberale Politikerin in einer 25-minütigen Fernsehansprache an die Nation. Ein Staatsoberhaupt müsse immer verhandlungsbereit sein, "aber man kann das Land nicht einer derartigen Erpressung unterwerfen", sagte sie in ihrer Rede, die sie an die Argentinier und die 93 Prozent der Gläubiger richtete, die auf zwei Umschuldungsabkommen eingegangen sind. "Es wäre nicht nur absurd, sondern schlichtweg unmöglich, dass ein Land gut die Hälfte seiner Reserven an einen Gläubiger zahlt", so Fernández, die der Gläubigermehrheit die pünktliche Tilgung der vereinbarten Raten zusagte. Die Zeit dafür eilt: Bereits am 30. Juni sollen weitere 907 Millionen US-Dollar fließen.