Kapitalismus im Museum?

In Berlin-Neukölln können Besucher einer Ausstellung ausprobieren und erfahren, wie der Kapitalismus funktioniert

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Bereits 1982 stellte der US-Professor David Kelly die Frage, warum es bisher kein Museum des Kapitalismus gebe. Ob allerdings das bundesweit erste Museum des Kapitalismus (MdK), das seit Kurzem in Berlin-Neukölln eröffnet wurde, dem erklärten Kapitalismusfreund Kelley gefallen würde, darf bezweifelt werden. Aber die Zielgruppe für dieses in einem Ladenlokal gastierenden temporären Museums ist sowieso eine andere.

"Es sind viele Bewohner aus der Nachbarschaft vorbeigekommen“, freut sich Johannes, der zum 10köpfigen Vorbereitungskreis gehört, wo überwiegend außerparlamentarische Linke aktiv sind. Die Besucher sollen selber ausprobieren und erfahren, wie der Kapitalismus funktioniert", erklärt MdK-Mitorganisator Malte Buchholz. Besucherin Erika Buchholz ist von dem Konzept angetan. Die Erwerbslosenaktivistin ist froh, dass sie sich im Museum des Kapitalismus ihr Wissen selbst erarbeiten kann:

"Zu viele Ausstellungen versuchen den Kapitalismus kompliziert zu interpretieren. Ich habe schon zu viele kritische Videos gesehen, die aber so intellektuell aufgemacht waren, dass ich den Inhalt kaum verstanden habe."

Selbsterfahrungen statt Videos

Die Exposition ist in die beiden Bereiche Finanzen sowie kapitalistische Stadt aufgeteilt. Im knapp 200 Quadratmeter großen Raum sind verschiedene interaktive Installationen zu finden. So können die Besucher eine Pumpe bedienen, die den Wirtschaftskreislauf symbolisiert. An einer anderen Stelle können sie ausrechnen, was die Produzenten von Sportschuhen und T-Shirts im globalen Süden verdienen.

In einer anderen Ecke können sie eine Handyhülle und eine Shampoo-Flasche über einen Scanner ziehen, wie er an Warenhauskassen benutzt wird. Doch im MdK informiert ein Text auf dem Bildschirm über die Ausbeutungsverhältnisse, die mit der Herstellung der Produkte verbunden ist. In den Ausstellungsräumen fallen einen die vielen älteren Monitore auf.

Dort können die Besucher ihr kurzes Statement über den Kapitalismus aufnehmen. Wenn man die bisherigen, sehr kapitalismuskritischen, Stellungnahmen anhört, kann man vermuten, dass FDP-Anhänger kaum unter den Besuchern waren.

Neoliberales Kleinunternehmertum als Krisenlösung?

Das Konzept ist ein Bruch mit einem Ausstellungsformat, das die Besucher vor allem informieren oder unterhalten will und deren Macher oft nichts anderes einfällt, als Video an Video aneinderzureihen. Ein abschreckendes Beispiel ist die kürzlich im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien eröffnete Ausstellung "We Traders - Tausche Krise gegen Stadt".

Den Ausstellungsmachern ist dabei als Präsentationsform nicht mehr als das Abspielen einer Vielzahl von Videos eingefallen. Dort wird größtenteils das hohe Lied des Kleinunternehmertums und Selbstmanagements in typischem NGO-Sprech gesungen. Da wimmelt es von Potentialen, die gefördert werden und Kreativität, die sich ausdrücken will.

Diese Ausstellung wurde mit Mitteln zahlreicher staatlichen Stiftungen gefördert. Das Museum des Kapitalismus dagegen, das schon in der Präsentation deutlich gemacht hat, dass Partizipation nicht nur gepredigt, sondern auch in einer Ausstellung umgesetzt werden kann, musste auf öffentliche Mittel verzichten.

Alle Beteiligten arbeiten unentgeltlich. Wegen der ungeklärten Finanzierung wird das MdK vorerst nur bis Mitte Juli geöffnet sein, weil die Organisatoren die Miete für den Laden selbst aufbringen müssen. Aber die Organisatoren haben schon angekündigt, dass sie sich für ein dauerhaftes Museum des Kapitalismus in Berlin einsetzen.