Griechenland: Todesfall als Kollateralschaden der Bürokratie?

Einer auf ein Beatmungsgerät angewiesenen Frau wurde der Strom vom staatlichen Energiekonzern abgeschaltet

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am Mittwoch wurde auf Kreta in Chania einer sechsundfünfzigjährigen Frau der elektrische Strom abgestellt. Die Dame hatte, wie zwischenzeitlich bekannt wurde, eine Ratenzahlung mit dem staatlichen Energiemonopolisten DEI vereinbart. Als Zeugefür diese Regelung trat der Abgeordnete des SYRIZA, Georgios Stathakis, öffentlich auf.

Irgendwie war dies jedoch nicht an die fürs Abstellen der Leitung zuständige Behörde gelangt. Kurzum kurz vor Mittag eilte ein privater, vom Elektrizitätsversorger beauftragter Subunternehmer zum Wohnhaus der Dame und stellte die Zufuhr am Zähler ab. Die Subunternehmer werden für ihre Arbeit nur im Erfolgsfall - dem Abstellen - und nur in Beträgen bis zu fünf Euro entlohnt. Die betroffene Dame hatte ihrer Betreuerin für den Vormittag frei gegeben und konnte nicht reagieren. Eine Stunde später trat der Tod der Frau ein. Sie erstickte qualvoll.

Was angeblich niemandem der Verantwortlichen bekannt war ist, dass die gelähmte Dame auf ein Beatmungsgerät und weitere lebenserhaltende Maschinen angewiesen war. Ohne Stromzufuhr fielen sehr schnell auch die Batterien aus.

In einer ersten Stellungnahme der Presseabteilung des staatlichen Unternehmens ist die Rede davon, dass der Anschluss der Frau auf einen anderen Namen angemeldet war. Es wurde nicht erwähnt, ob es sich dabei um einen Verwandten der Dame oder den Wohnungseigentümer handelte. Dieser Umstand, die Anmeldung einer Zuleitung auf einen Namen eines Mitbewohners oder des Vermieters, ist im Land weit verbreitet und durchaus Usus. Er hängt auch damit zusammen, dass die Ummeldung bei der DEI ein höchst bürokratisches Verfahren ist, bei dem einiges an Kosten anfällt.

Ebenfalls aus bürokratischen Gründen hatte der andere Name auf der Stromrechnung für die Dame eine direkte, negative Konsequenz. Es war vom Softwaresystem des Unternehmens nicht möglich, die Frau als Sozialfall oder gar als medizinisch von der Elektrizität abhängenden Menschen einzustufen. Insgesamt sollen sich, so der Sohn der Dame, die Schulden ans Stromunternehmen auf 800 Euro gehäuft haben.

Allerdings ist die Zahlungsverzögerung nicht unbedingt auf die Frau selbst zurückzuführen. Vielmehr hat auch hier die Bürokratie ihre Wirkung gezeigt. Die Unglückliche war in ihrem Berufsleben bei zwei verschiedenen staatlichen Versicherungsträgern beitragspflichtig. Als sie ihre Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten sollte, sprangen zunächst beide Sozialversicherer mit Vorschusszahlungen ein.

Weil dies nicht korrekt ist, versuchte die Frau die Umstände aufzuklären und erhielt als Ergebnis die Kappung beider Rentenansprüche bis zu einer endgültigen - bürokratischen - Klärung der Zuständigkeit. Die Mühlen der Bürokratie begannen zu mahlen. Seit mehr als sechs Monaten blieb die Dame ohne jegliches Einkommen, ihrer Familie gingen derweil sämtliche Finanzmittel aus. Auch hier versuchte der Abgeordnete vor dem fatalen Ende zu intervenieren. Mehr als die Auskunft, dass es sich nur noch um ein paar Monate Wartezeit handeln könne, erreichte auch er nicht.

Seitens der Familie der Verstorbenen wurde nun Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingereicht. Zu klären ist, ob und welchem Glied der bürokratischen Kette eine mittelbare fahrlässige Tötung vorzuwerfen ist.