Wenn sich Polizisten im Dienst nicht fotografieren lassen wollen

Razzia bei den Betreibern der Homepage Demofotografie HH

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Viele bunte Transparente, häufig Demonstranten und gelegentlich mal die Polizei sind auf DemofotografieHH zu sehen, auf der das Hamburger Protestgeschehen dokumentiert werden soll. Doch jetzt könnte die Dokumentation Lücken gekommen. Denn die Hamburger Polizei mag es gar nicht, wenn sie im Dienst fotografiert wird, wie der Betreiber der Seite erfahren musste. Vor einigen Tagen wurde seine Wohnung durchsucht. Es wird wegen "Verbreitung/ÖffentlicherZurschaustellung von Bildnissen nach § 33 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG" ermittelt.

Die örtliche Linksjugend solid sieht das als Vorwand und befürchtet eine Einschränkung der Möglichkeiten, Polizeieinsätze bei Versammlungen und Demonstrationen zu dokumentieren.
In einer Verfügung der Hamburger Behörden wird dem Besitzer des Internetaccounts aufgefordert, innerhalb von drei Tagen zahlreiche Fotos von der Webseite zu entfernen und die Bilder nicht weiter zu verbreiten. Die Fotos stellen einen Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte der fotografierten Beamten dar, heißt es in der Anordnung.

Wenn schon die Möglichkeit, Kommentare zu veröffentlichen, verdächtig ist

"Hinzu kommt, dass mit der Möglichkeit, für Jedermann einsehbare – auch beleidigende und verleumderische – Kommentare zu den eingestellten Fotos zu verfassen und zu veröffentlichen, ein digitaler Pranger geschaffen wurde, der die Rechte der Betroffenen massiv verletzt", wird als Begründung genannt.

Diese Passage ist besonders bemerkenswert. Dem Internetbetreiber wird nicht vorgeworfen, dass er beleidigende Kommentare unter Polizeifotos nicht sofort gelöscht hat, sondern dass er überhaupt die Möglichkeit eines Kommentars eröffnet hat. Passt ein solches Verhalten nicht eher in das Feudalzeitalter, als der Pöbel es sich erdreisten durfte, ihre Obrigkeit auch nur böse
anzusehen?Sollte die Polizei in einer Gesellschaft damit durchkommen, in der so viel von Transparenz geredet wird?

Die Reaktionen auf die Razzia und die Aufforderung zur Löschung der Fotos hielten sich in Grenzen. Protest kam von der LinksjugendSolid und der Piratenpartei, die in den Maßnahmen einen Eingriff in die Pressefreiheit sieht.

"Dokumentation von Polizeieinsätzen ist ein öffentliches Interesse"

"Die Dokumentationen von Polizeieinsätzen liegen im öffentlichen Interesse und sind daher auch nach Auffassung desBundesverwaltungsgerichts von den Erlaubnisgründen des §23 KunstUrhG abgedeckt", heißt es in der Presseklärung.

Tatsächlich beschäftigten in der Vergangenheit immer wieder Polizeiübergriffe auf Demonstranten die Öffentlichkeit. Ein neueres Beispiel war der Einsatz gegen einen Passanten im Berliner Görlitzer Park im Anschluss an eine Demonstration. In den letzten Jahren hat die Dokumentationen der Polizeiarbeit durch zivilgesellschaftliche Gruppen viel dazu beigetragen, dass diese Tätigkeiten transparenter wurden und Opfer von Polizeigewalt ihre Rechte besser einfordern könnten.

Es gab eine Zeit, als die AG Kritische Polizisten diese Arbeit im Innern des Polizeiapparates fortsetzte. Heute spielt der Arbeitskreis kaum noch eine Rolle. Dazu trug auch bei, dass Polizisten, die sich in der AG engagierten, von den eigenen Kollegen gemobbt wurden.