Bundesregierung bricht eigene Grundsätze zu Waffenexport

Trotz illegalen Verkaufs von Pistolen nach Kolumbien: Wirtschaftsministerium lehnt Exportstopp in die USA ab

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"Legal, illegal, scheißegal", sang die Punk-Band Slime 1982. Heute scheint sich die Bundesregierung die Losung zueigen gemacht zu haben – zumindest im Rüstungsgeschäft. Denn trotz der laufenden Affäre um illegale deutsche Waffenexporte in das Bürgerkriegsland Kolumbien lehnt das Wirtschaftsministerium unter Führung des SPD-Politikers Sigmar Gabriel Konsequenzen ab. Und dies, obwohl die eigenen "Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen undsonstigen Rüstungsgütern" eigentlich einen Exportstopp verlangen.

Ende Mai war bekannt geworden, dass Pistolen des deutschen Herstellers SIG Sauer zwischen 2009 und 2012 aus den USA illegal nach Kolumbien geliefert worden sind. Benutzt würden
die Waffen des Typs SP 2022 dort von der Nationalpolizei. "Sie untersteht direkt dem kolumbianischen Verteidigungsministerium und wird für Menschenrechtsverletzungen mitverantwortlich gemacht", heißt es in einem Bericht des WDR, der den Fall gemeinsam mit dem NDR und der Süddeutschen Zeitung recherchierte. Offenbar exportierte die US-Armee über 100.000 Pistolen des besagten Typs in das südamerikanische Land – ohne eine dafür notwendige Genehmigung der deutschen Behörden eingeholt zu haben.

In ihren "Politischen Grundsätzen" verspricht die Bundesregierung, die Waffenausfuhr in Staaten zu stoppen, die diese Güter entgegen ihrer Versprechungen weiterverkaufen. Auch bei NATO-Staaten könne eine "Beschränkung geboten" sein, heißt es dort ausdrücklich. Doch auf die
Nachfrage der Linken-Abgeordneten Heike Hänsel, ob denn schon entsprechende Maßnahmen
getroffen worden seien, reagiert man im Wirtschaftsministerium dünnhäutig: "Nein. Die USA sind ein NATO-Partner", heißt es in den Antworten, die Telepolis vor Veröffentlichung vorlagen. Eine
Beschränkung sei "grundsätzlich" nicht möglich, so Staatssekretär Stefan Kapferer. Was der letzte FDP-Mann in der Bundesregierung vergaß, war einschränkender Nebensatz. "Es sei denn", heißt es da, "dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist." Diese Bedeutung misst die Bundesregierung dem Waffenschmuggel über die USA nach Kolumbien politisch jedoch nicht bei.

Immerhin scheinen den Verantwortlichen in Berlin die illegalen Waffengeschäfte derart unangenehm zu sein, dass man Neuregelungen zumindest vage in Aussicht stellt: "Die Bundesregierung prüft derzeit gleichwohl, ob und gegebenenfalls durch welche Maßnahmen, einschließlich der möglichen Durchführung sogenannter Post-shipment-Kontrollen, die
Endverbleibsicherung bei Rüstungsgütern gestärkt werden kann."