Schweden wollen Vattenfall zurückpfeifen

Schwedische Parteien sprechen sich einmütig gegen Ausweitung der Braunkohlenutzung aus. Auch die große Mehrheit der Bürger ist dagegen

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Es hat ja etwas gedauert, aber inzwischen scheint es tatsächlich in der breiteren schwedischen Öffentlichkeit angekommen zu sein, was der in Staatsbesitz befindliche Konzern Vattenfall in Deutschland veranstaltet. Nach einem Bericht der britischen Zeitung Guardian, sprachen sich am Mittwoch die Vertreter aller acht größeren Parteien in einer Fernsehdebatte gegen neue Tagebaue aus. Auf die Frage, ob sie Vattenfall davon abhalten würden, die Nutzung der Kohle in Deutschland auszuweiten, antworteten alle mit "Ja".

Können also die Menschen im brandenburgischen Kerkwitz und den anderen Dörfern aufatmen, die im Südosten des Bundeslandes den Baggern weichen sollen? Ende August war dort, wie berichtet, mit einer internationalen Menschenkette gegen die geplante Erschließung neuer Tagebaue in Deutschland und im nahegelegenen protestiert worden. Rund 7.500 Menschen aus ganz Europa waren gekommen.

Näheres werden die Wahlen am kommenden Wochenende entscheiden, wenn die Schweden aufgerufen sind, ihr Votum für den Stockholmer Reichstag abzugeben. Wie es aussieht, wird dabei wohl die konservativ-liberale Minderheitsregierung für ihre Privatisierungsorgie im Bildungs- und Gesundheitssystem abgestraft und von einem Bündnis aus Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei abgelöst werden.

Bildung und Gesundheit scheinen für die Schweden im Augenblick die wichtigsten Themen zu sein, aber die Umwelt bewegt sie durchaus auch, wie an den erstaunlich einmütigen Aussagen der Parteien zum Thema Vattenfall abzulesen ist. In einer kürzlich im Auftrag von Greenepeace durchgeführten Meinungsumfrage hatten sich auch 77 Prozent der schwedischen Bürger gegen die Ausweitung der Braunkohlenutzung und 67 Prozent für die Abwicklung aller fossilen Kraftwerke ausgesprochen. Von beidem wäre hauptsächlich Deutschland betroffen, denn in Schweden betreibt der Konzern im Wesentlichen nur AKW, einige Windparks, kleinere Biomasse- und viele Wasserkraftwerke.

Die Frage ist allerdings, wie ein Braunkohleausstieg Vattenfalls aussehen würde. Würde der Konzern seine Betriebe und Kraftwerke in der Lausitz einfach verkaufen, wie es Annie Lööf von der Zentrumspartei laut Guardian nach der Fernsehdebatte vorschlug? Dann wäre für das Klima und die von den Tagebauen geplagten Lausitzer wenig gewonnen. Die Schweden hätten lediglich ihr Gewissen beruhigt, während ein anderer Besitzer weiter machen würde. Da wäre es schon besser, wenn der deutsche Gesetzgeber den schwedischen Entscheidungsprozess erleichtern und ein Kohle-Ausstiegsgesetz auf den Weg bringen würde.