Draghi will Anleihekäufe noch gefährlicher ausweiten

Die Wirtschaft in der Eurozone habe nicht nur an "Schwung verloren", sondern befinde sich in der Stagnation, meint der Chef der Europäischen Zentralbank

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Erneut kann man feststellen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) unter ihrem Chef Mario Draghi versucht, Wachstumspolitik zu betreiben. Nun hat der EZB-Präsident Mario Draghi am Montag im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments in Brüssel festgestellt, dass das Wachstum in der Eurozone an "Schwung verliere", doch korrigierte er sich sofort und sprach davon, dass es längst zum "Stillstand" gekommen ist.

Tatsächlich lässt sich auch für das dritte Quartal vermuten, dass die Eurozone weiter in Richtung Rezession abgleitet, denn schon im zweiten Quartal wurde in der Eurozone die Stagnation festgestellt, weil der bisherige Wachstumsmotor Deutschland stottert. Die Wirtschaft schrumpfte um 0,2%, obwohl sich die Sanktionen und Gegenmaßnahmen gegen Russland noch wenig bemerkbar machten.

Mit ihrer hilflosen Politik dreht die EZB schon seit langem die Geldhähne immer weiter auf. Auf der letzten Zinssetzung wurde nicht nur beschlossen, den Leitzins praktisch auf Null zu senken und Strafzinsen zu erhöhen, die Banken zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB hinterlegen, zudem wurden auch die Notenpressen angeworfen. Beschlossen wurde, Banken gefährliche Asset Backed Securities (ABS) abzukaufen. Er sei zu weiteren außergewöhnlichen Maßnahmen bereit, wiederholte Draghi seine zuletzt getroffenen Aussagen nun.

Durften bisher angeblich nur erstklassige Kreditverbriefungen aufgekauft werden, dringt man jetzt in immer gefährlichere Bereiche, um die Banken zu entlasten. "Im Rahmen des ABS-Kaufprogramms werden wir erstrangige und garantierte Mezzanin-Tranchen kaufen", sagte Draghi. Diese "strukturierten Anleihen" waren für die Finanzkrise mitverantwortlich, denn über sie wurden nicht nur faule Kredite gebündelt und als Anleihen am Kapitalmarkt zu Geld gemacht, sondern auch Bilanzen geschönt, da so offene Forderungen daraus verschwinden. Und das ist wohl das Ziel, denn die zweitklassigen ABS binden bei den Banken viel Eigenkapital.

Draghi will angeblich mit allen Mitteln die Kreditvergabe ankurbeln, die weiter schwach sei, und hofft darüber die Wirtschaft zu stärken. Doch sein immer gefährlicherer Kurs stößt auf die Kritik von Bundesbank-Chef Jens Weidmann, obwohl auch der grundsätzlich dem Kauf von ABS zugestimmt hatte und sogar dafür war, unbegrenzt die Notenpresse anzuwerfen. Nun übt Weidmann aber erneut heftige Kritik an den EZB-Entscheidungen. Dieses Paket bedeute "eine grundsätzliche Weichenstellung und eine einschneidende Veränderung für die Geldpolitik der EZB", meinte er im Interview.

Die Mehrheit des EZB‑Rats, in dem auch Weidmann sitzt, sei bereit, "sehr weit zu gehen und neues Terrain zu betreten". Er meint, dass es nicht bei einer verstärkten Kreditvergabe bleiben solle, sondern man sei auch bereit, Geld direkt in die Wirtschaft zu pumpen. Das ABS‑Ankaufprogramm berge die Gefahr, "dass Banken zulasten der Steuerzahler von Risiken befreit werden". Da er grundsätzlich zugestimmt hatte, will er nun offensichtlich auf die Bremse treten: "Wenn überhaupt, sollte die EZB nur risikoarme Papiere übernehmen ‑ und das nach sorgfältiger Prüfung." Es sei entscheidend, dass "keine nennenswerten Risiken einzelner Finanzinstitute oder Länder übernommen werden", meinte er. Sogar er hält es aber für fraglich, ob überhaupt genug im Umlauf sind, damit der Ankauf eine Wirkung haben könnte.

Seit langem kritisiert die Bank der Zentralbanken (BIZ) in Basel, die das Kosten‑Nutzen‑Verhältnis der Geldschwemme analysiert hat, dass es sich immer weiter verschlechtert. Der "Wachhund mit Sitz in der Schweiz" meint, dass darüber zwar Banken stabilisiert und Regierungen mehr Zeit für Reformen gegeben worden sei, doch wirklich erfolgreich sei diese Politik nicht. Schon vor einem Jahr wurde analysiert, dass Wachstumsfortschritte nur schwach seien und diese Geldpolitik nicht zu einem selbsttragenden Aufschwung geführt habe. Inzwischen ist aber gar kein Wachstum mehr festzustellen, wie auch Draghi nun zugab. Obwohl praktisch kein Erfolg zu sehen ist, will Draghi den gefährlichen Kurs aber weiter verschärfen. Der BIZ-Chef mahnte schon im Juni 2013: "Die Zentralbanken sollten sich wieder auf ihr traditionelles Geschäft beschränken."

Inzwischen macht auch der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) die Austeritätspolitik der Bundesregierung als Problem aus. Er sagte am Dienstag in Berlin, sie habe zu wenig getan, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. "Die gute Wirtschaftslage wurde als gegeben hingenommen", sagte Ulrich Grillo. Er meint, dass zusehends von der Substanz gelebt werde. "Deutschland ist im Begriff, seine Verkehrswege zu ruinieren", für den Ausbau schneller Internetverbindungen und für die Energiewende müsse mehr Geld ausgegeben, Forschung und Innovationen müssten steuerlich gefördert werden.

Auf dem Tag der Deutschen Industrie sagte er im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die Politik der Regierung "nicht unbedingt Vertrauen stärkend" sei: "Für uns ist eine Investitionsoffensive die oberste Herausforderung für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands." Höhere Investitionen seien kein Selbstzweck. Sie erhöhten mittelfristig das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft. "Das ist absolut notwendig", sagte er und verwies auch auf die zunehmenden außenpolitischen Spannungen. Bislang hatte er sich vorbehaltlos hinter Merkels Sanktionspolitik gegen Russland gestellt, sieht inzwischen aber auch die negativen Effekte.