Griechenland: Schuften für zwei Euro pro Stunde

Putzfrauen wehren sich gegen ihre Entlassungen und hoffen auf Neuwahlen. Syriza in Meinungsumfragen vorne, Sozialdemokraten werden zur Splitterpartei

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Sie sind in Griechenland mit ihren unorthodoxen Aktionen zu einem Symbol des Widerstandes geworden. 595 Putzfrauen der Finanz- und Zollämter kämpfen seit einem Jahr gegen ihre Entlassung. Jetzt haben sie noch einmal eine Gnadenfrist bekommen. Letzte Woche vertagte das Oberste Gericht des Landes die Entscheidung über ihren Fall auf Ende Februar 2015. Bis dahin, so hofft mancher derzeit, könnte es Neuwahlen geben, und für die Putzfrauen würde sich eine politische Lösung ergeben. In die "Klassenjustiz" der Gerichte, so Litza Alexakis, eine ihrer Sprecherinnen im Gespräch mit Telepolis, haben sie ohnehin wenig Vertrauen.

Vielleicht könnten sich die Hoffnungen erfüllen, denn wenn im Herbst im Parlament keine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Wahl eines neuen Präsidenten zustande kommt, müssen Neuwahlen ausgeschrieben werden. Jüngste Meinungsumfragen sehen die Linkspartei Syriza inzwischen bei 36 Prozent (Nea Demokratia 25, PASOK 5,5, Goldene Morgenröte 7,5, Demokratische Linke unter 3, Kommunisten 6,5, Potami (neue, eher bürgerliche "Antisystempartei") 9,5 Prozent). Angesichts des Bonus, den das derzeitige Wahlgesetz der stärksten Partei zugesteht, könnte das eventuell schon knapp für eine Mehrheit reichen. Ob eine Linksregierung aber die in ihr gesteckten Hoffnungen erfüllen kann, ist eine durchaus offene Frage.

Doch immerhin die Putzfrauen könnten vielleicht ihren Job zurück bekommen. 600 bis 700 Euro im Monat haben sie bei einer 40-Stunden-Woche bekommen. Nicht gerade viel für den Staatshaushalt und auch nicht, um davon zu leben, denn in Athen sind die Mieten auch nach Jahren der Krise noch immer durchaus mit dem aktuellen Niveau in Berlin vergleichbar. Und auch sonst ist der Lebensunterhalt nicht viel günstiger als in Mitteleuropa.

Doch die Regierung hatte, um an das vermeintliche Rettungsgeld der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank zu kommen, Auflagen zu erfüllen. Dazu gehörte Stellenabbau im öffentlichen Dienst, das heißt Entlassungen und Sperren bei Neueinstellungen. Auf zehn Lehrer, die in Rente gehen, gibt es derzeit zum Beispiel nur eine Neueinstellung.

Natürlich werden durch eine solche Politik langfristig neue Kosten geschaffen. Im Falle der Putzfrauen sieht es so aus: Die Behörden werden jetzt von privaten Unternehmen geputzt, die dafür mehr Geld bekommen als zuvor die festeingestellten und halbwegs sozial abgesicherten Putzfrauen. Die bei den privaten Unternehmen angestellten Frauen erhalten jedoch nur noch zwei Euro pro Stunde.

Versuche, diesen Bereich gewerkschaftlich zu organisieren, werden mit brachialen Methoden bekämpft. 2008 wurde auf die in zwischen für Syriza im Europaparlament sitzende Konstantina Kuneva, die eben dies versucht hatte, ein Säureattentat verübt, das sie nur sehr knapp überlebte. Die von der Troika erzwungene Privatisierung, deren Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen bestenfalls zweifelhaft ist, dient also vor allem als Hebel, Rechte der abhängig Beschäftigten auszuhöhlen und das Lohnniveau weiter zu drücken.