Ein Buch zum Trinken

US-Forscher haben einen günstigen Wasserfilter entwickelt, der nach einem einfachen Prinzip operiert.

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Von
  • Christoph Seidler

US-Forscher haben einen günstigen Wasserfilter entwickelt, der nach einem einfachen Prinzip operiert.

Perrier, San Pellegrino, Selters: Wenn ein Restaurant etwas auf sich hält, hat es mindestens ein halbes Dutzend Mineralwassersorten im Angebot. Ein Lifestyle-Luxus. Denn rund ein Zehntel der Weltbevölkerung hat noch nicht mal Zugang zu sauberem Trinkwasser; 3,4 Millionen Menschen sterben deswegen pro Jahr. Theresa Dankovich vom Center For Global Health an der University of Virginia hat einen ungewöhnlichen Wasserfilter entwickelt: ein Buch, dessen Seiten Wasser säubern können. Pro Seite 100 Liter, bei sparsamem Verbrauch reicht das für knapp einen Monat. Man reißt die Seiten des "Drinkable Book" einfach aus, die Plastikhülle dient als Filterhalter.

"Das Einzigartige an diesem Projekt ist seine Einfachheit", sagt Dankovich, die seit 2008 als Doktorandin an der McGill University im kanadischen Montreal an dem Verfahren gearbeitet hat. In ihrer Freizeit schneidert die junge Chemikerin Kleidungsstücke und verkauft sie über Online-Marktplätze. Das "Drinkable Book" ist ihr wichtigstes Projekt. Der aus einer Art Löschpapier bestehende Filter säubert Schmutzwasser. In ihren Tests mit leicht trübem Wasser klappte das gut.

Wie die Filter mit schlammigem Wasser zurechtkommen, vermag Dankovich nicht zu sagen. Auch gegen anorganische Schadstoffe wie Arsen oder Fluor ist der Filter machtlos. Bakterien tötet er aber mittels Silber-Ionen ab, mit denen das Papier beschichtet ist. Von dem Nanosilber gelangen jedoch nur geringste Mengen ins Wasser – ein wichtiger Aspekt, denn seine Toxizität für den Menschen ist noch unzureichend erforscht. Nanosilber kommt in Sportwäsche oder Deos vor, das Bundesinstitut für Risikobewertung rät aber von seinem Gebrauch ab.

Im kommenden Jahr soll das "Drinkable Book" offiziell auf den Markt kommen. Das Ding ist nicht nur technisch interessant, es sieht auch gut aus. Kurze Texte geben lebenswichtige Gesundheitstipps: Händewaschen vor dem Essen, Abfälle möglichst weit entfernt von der Wasserquelle entsorgen und so weiter. Jede Seite ist durch eine Perforation geteilt und liefert dadurch jeweils zwei Filter. Oben auf der Seite steht Text in Englisch, unten in lokalen Sprachen wie Suaheli.

Für die Gestaltung des Buchs hat Dankovich die Werbeagentur DDB als Partner gewonnen. Die wiederum brachte sie in Kontakt mit der Hilfsorganisation "WATERisLIFE". "Ich wollte, dass das Projekt über die Laborphase und erste Feldversuche hinaus weiter wächst", sagt Dankovich.

Doch nicht jeder ist so euphorisch wie sie. "Das Problem des Zugangs zu sauberem Wasser ist kein technisches", sagt Hratche Koundarjian von der Hilfsorganisation "WaterAid", die nicht an dem Projekt beteiligt ist. "Es wird nicht dadurch gelöst, dass man Filter an die Menschen verteilt." Das Buch sei "eine von vielen Hundert Optionen" zur Wasserreinigung, sagt er. Das Problem: Viele Menschen in Entwicklungsländern hätten kein Geld für Produkte wie das "Drinkable Book".

Dankovich hält dagegen, ihr Buch sei vergleichsweise billig – auch wenn sie noch keine genauen Verkaufspreise nennen kann. Derzeit kostet die Herstellung des Papiers etwa 10 US-Cent pro Blatt. "WATERisLIFE" will den Filter dieses Jahr in Ghana testen. Für einen ersten Feldversuch war Dankovich bereits zusammen mit Studenten in die südafrikanische Limpopo-Provinz gereist. Aus dem Flusswasser dort habe der Filter 99,99 Prozent der coliformen Bakterien gefischt, die Durchfallerkrankungen auslösen können. (bsc)