Türkei: Journalistin unter mysteriösen Umständen gestorben

Serena Shim hat die türkische Unterstützung für den IS dokumentiert

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In jedem Krieg stirbt als erstes die Wahrheit. Diese Erkenntnis hat sich in den Kriegen der letzten beiden Jahrzehnte vielen Menschen eingebrannt, so vielen, dass es die gegenwärtige Propagandawelle zur Verteufelung Russlands und der russischen Regierung schwer hat, größere Teile der Bevölkerung nachhaltig zu überzeugen. In welchem Umfang zum Ersticken der Wahrheit auch vor dem Mord an Journalisten nicht zurückgeschreckt wird, dürfte allerdings weniger bekannt sein.

Dabei fehlt es nicht an Beispielen: Die vermeintlich versehentliche Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad, bei der drei chinesische Journalisten durch eine US-amerikanische Rakete getötet wurden, ist eines, der Beschuss des Büros von Al Jazeera und des Hotels Palestines durch US-Truppen bei der Einnahme von Bagdad 2003 und der Mord an der russischen Journalistin Anna Politkowskaja, die unter anderem über Kriegsverbrechen russischer Einheiten im tschetschenischen Bürgerkrieg berichtete, sind andere.

Jüngstes Opfer in diesem Kampf um die Wahrheit scheint die junge amerikanisch-libanesische Journalistin Serena Shim geworden zu sein. Jedenfalls ist ihr plötzlicher Unfalltod extrem auffällig. Am Sonntag war sie mit ihrem Kameramann in einem Leihwagen auf dem Rückweg von der Grenze zu ihrem Hotel, als ihr Fahrzeug mit einem LKW, vermutlich mit einem Betonmischer, zusammenstieß. Shim wurde getötet, von dem LKW heißt es in verschiedenen Quellen, er sei verschwunden. Dessen Fahrer wird nach Angaben der türkischen Behörden verhört. Shims Auftraggeber, das iranische Press TV, beklagt allerdings, dass die Polizeibehörden keine Informationen herausgeben. Der Name des Fahrers sei nicht zu erfahren.

Shim, die zuvor unter anderem aus der Ukraine und dem Libanon berichtet hatte, war von Press TV erst am 11. Oktober in die Region geschickt worden, um über den Konflikt in Kobane zu informieren und den Vorwürfen nachzugehen, die Türkei würde den IS unterstützen, schreibt ihr Kollege und Bekannter Vijay Prashad. Dabei wurde sie schnell fündig. Letzte Woche berichtete sie, sie habe IS-Kämpfer am hellen Tag beim Grenzübertritt gefilmt. Außerdem habe sie gesehen, dass diese in LKWs mit dem Logo der "World Food Organization" transportiert wurden. Gemeint war vermutlich das UN World Food Programme.

Zwei Tage vor ihrem Tod hatte Shim in Press TV berichtet, dass der türkische Geheimdienst ihr Spionage vorwerfe. Sie sei dadurch beunruhigt, habe aber nichts als ihren Job getan. Auf diesem Guardian-Blog ist ein Video eingebunden, das die Meldung über ihren Tod und die Sequenz zeigt, in der sie zuvor über die Bedrohung durch den Geheimdienst berichtet hatte.

Ihr Kollege Prashad, der ebenfalls aus der Region berichtet, kennt auch andere Geschichten über die offensichtlich anhaltende Unterstützung der IS-Terroristen. Zum Beispiel schreibt er in seinem oben verlinkten Beitrag, dass im staatlichen Balıklıgöl-Krankenhaus in Şanlıurfa, einer türkischen Stadt etwa 30 bis 40 Kilometer von Kobane, verwundete IS-Kämpfer versorgt werden, ohne dass dort groß versucht werde, diese Tatsache zu verbergen.

Unterdessen hat das Parlament der kurdische Autonomieregion im Irak mit der dem Votum aller Parteien am Nachmittag die Unterstützung für Kobane gebilligt, wie die südkurdische Nachrichtenplattform Rudaw berichtet. Demnach werde „eine kleine Einheit mit schweren Waffen“ geschickt. Das Vorgehen sei Ergebnis geheimer Verhandlungen zwischen Vertretern der syrischen Kurden, der irakischen Autonomieregion sowie der Türkei und der USA. Die Peshmerga würden kein gemeinsames Kommando mit den Kämpferinnen und Kämpfer der syrisch-kurdischen YPG bilden, noch ihre Waffen an syrische Kämpfer weitergeben. (In Kobane kämpfen auch arabische Verbündete der kurdischen YPG.) Die Aufgabe der Peshmerga-Einheit sei es, der Infanterie der Verteidiger Deckung zu geben.