Gedankenverbrechen in 140 Zeichen

Drakonische Haftstrafen für twitternde Anwälte in Saudi Arabien

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Drei Rechtsanwälte wurden in Saudi-Arabien zu Haftstrafen zwischen fünf und acht Jahren verurteilt, weil sie in Tweets "willkürliche Verhaftungen" beklagt hatten. Wie die saudische Presseagentur SPA berichtet, wurden die Anwälte für schuldig befunden, gegen das saudische Justizsystem agitiert, das Recht der islamischen Sharia kritisiert und sich in die Unabhängigkeit der Justiz eingemischt zu haben. Die verurteilten Anwälte dürfen künftig auch weder Social Media nutzen noch ausreisen.

Saudi Arabien war dieses Jahr auch von UN-Hochkommissar für Menschenrechte Navy Pillay für ein neues Antiterror-Gesetz kritisiert worden. Dieses sei so vage formuliert, dass es praktisch die willkürliche Verhaftung von jedem erlaubt, der die saudische Regierung kritisiert. Nunmehr zählen dort offenbar auch Tweets zu Gedankenverbrechen. Die Ironie, dass der Staat die Vorwürfe der Anwälte durch sein drakonisches Vorgehen bestätigt, scheint den Verantwortlichen nicht präsent zu sein. Das drastische Vorgehen gegen Kritik in Social Media dürfte im Licht des sogenannten Arabischen Frühlings zu sehen sein, als sich über Facebook und andere Medien Widerstand gegen die arabischen Systeme formierte und organisierte.

Beschneidung von Meinungs- und Reisefreiheiten wurde von Saudi Arabiens Schutzmacht USA traditionell als Indiz für Unrechtsstaaten bewertet. Die USA gelten als das Mutterland der Bürgerrechte, darunter die Gewährleistung von Religionsfreiheit und die Ablehnung der Monarchie. Finanziell gesehen gehören den Saudis allerdings derzeit große Teile der US-Wirtschaft, so dass man über kulturelle Unterschiede bisweilen gerne hinweg sieht. Religiöser Fanatismus mit totalitären Strukturen scheint vorwiegend in solchen Ländern problematisch zu sein, die mit der Wirtschaft der USA nicht wunschgemäß kooperieren.