UK Eyes only: Großbritannien zensiert Geheimbericht von 1984

Britische Akten zur RjAN-Krise scheinen noch brisant zu sein

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Der wohl riskanteste Moment des Kalten Kriegs, der heute als "Able Archer 83", "Soviet War Scare und "Operation RjAN" bekannt ist, bleibt auch nach Ablauf etlicher Fristen zur Freigabe von geheimen Regierungsakten weiter rätselhaft. Die sowjetische Führung hatte im Herbst 1983 einen überraschenden nuklearen Erstschlag befürchtet und insoweit damalige NATO-Manöver als Tarnung entsprechender Raketenstarts bewertet. Im November 1983 waren zum ersten und einzigen Mal die mobilen SS 20-Abschussbasen im Gelände platziert und in der DDR startbereite Bomber mit scharfen Nuklearwaffen bestückt worden, um beim Anzeichen eines Angriffs den Vergeltungsschlag durchzuführen.

Während die USA inzwischen ein Großteil der Akten freigegeben haben und auch russische, deutsche und andere frühere Staaten des Warschauer Pakts den Historikern Material zur Verfügung stellen, tut man sich mit Transparenz im Geheimdienst ihrer Majestät jedoch noch schwer. So wäre nach Ablauf von 30 Jahren nun mit der Freigabe des Berichts “The Detection of Soviet Preparations for War Against NATO” vom 15. Juni 1984 zu rechnen gewesen. Doch als Nate Jones, der gewissermaßen einen Countdown herunter zählte, vom National Security Archive den Umschlag des Britischen Nationalarchives öffnete, war gerade einmal das Deckblatt freigegeben worden.

Der Geheimdienst ihrer Majestät hatte im Westen als erster von der sowjetischen Nervosität erfahren, jedoch erst Monate nach den Ereignissen. So hatte der KGB-Überläufer Oleg Gordiewsky dem britischen Geheimdienst berichtet, der daraufhin im März 1984 den amerikanischen "Cousins" ein erstes Memo übersandte und schließlich Gordiewski sogar persönlich ins Weiße Haus schickte. Während Thatcher und Reagan also im Bilde waren, wurde den anderen NATO-Partnern von dem Memo nur eine entschärfte Version über die hochgefährliche Situation zur Verfügung gestellt. Die Partner und insbesondere Westdeutschland sollten nicht beunruhigt werden, was etwa die umstrittene Stationierung der Pershing II-Raketen hätte gefährden können.