Rechtsruck in der deutschen Friedensbewegung?

Die Kooperation der Friedensbewegung mit den Montagsmahnwachen sorgt für Kritik

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Am letzten Wochenende traf sich in Bonn die Kooperation für den Frieden. Der Zusammenschluss von 60 Initiativen und Organisationen aus der Friedensbewegung diskutierte auch über eine Frage, die unter den Friedensfreunden aus der ganzen Republik seit Wochen für Unfrieden sorgt: Es geht um die Kooperation mit den Montagsmahnwachen, die sich im Frühjahr 2014 gegründet haben.

In zahlreichen Städten waren bisher völlig unpolitische Menschen, darunter viele Jugendliche, aber auch Esoteriker und Verschwörungstheoretiker für den Weltfrieden und gegen die US-Bank FED auf die Straße gegangen. Auch Rechtspopulisten unterschiedlicher Couleur waren an den Montagsmahnwachen, die immer betonten, weder rechts noch links zu sein, vertreten.

Noch im Mai waren viele Gruppen und Aktivisten der Friedensbewegung auf Distanz zu diesen Mahnwachen gegangen. Für den Sprecher des bundesweiten Friedensratschlags, Peter Strutinsky, sind sie eine von organisierten Rechten ins Leben gerufene Bewegung. Die Friedensbewegung solle eigene Veranstaltungen organisieren, anstatt den strukturellen Montagsmahnwachen auf den Leim zu gehen, empfahl Strutinsky.

Abgrenzung nach rechts nur Lippenbekenntnisse?

Das war auch noch vor einigen Monaten der Tenor zahlreicher weiterer Aufrufe aus der Friedensbewegung. Man wolle mit den jungen anpolitisierten Teilnehmern der Mahnwachen ins Gespräch kommen, distanziere sich aber ganz klar von deren verschwörungstheoretischen und teilweise antisemitischen Ansätzen, wurde betont.

Auch der seit mehr als 30 Jahren in der Friedensbewegung aktive Reiner Braun nannte die Montagsmahnwachen damals dubios. Dass er mittlerweile bei den Gescholtenen als Redner aufgetreten ist, begründet Braun mit Differenzierungen in deren Lager. Die klar formulierte Ablehnung von Rechts­radikalismus und Antisemitismus un­ter anderem durch die Erklärung von Weitersroda und ein gemeinsames Treffen in Zeitz habe ihm die Kooperation erleichtert.

"Ich sehe da vor allem junge Leu­te, die nach Alternativen suchen, für die Gesellschaft, aber auch für sich selbst“, erklärt Braun gegenüber Telepolis. Er betont allerdings auch, die anfänglich scharfe Kritik an den Montagsmahnwachen sei richtig gewesen und habe erst zur Differenzierung in dem Lager beitragen.

Andreas Grünwaldt vom Hamburger Forum für Frieden und Völkerverständigung hingegen bezeichnete die Kritik an den Montagsmahnwachen in einem Interview "als richtige Hetze". Er sprach sich von Anfang an für eine enge Kooperation aus. Doch andere Mitglieder und Kooperationspartner der Friedensbewegung sind mit der neuen Offenheit gegenüber den Mahnwachen nicht einverstanden. Denn sie sind nicht davon überzeugt, dass es sich bei deren Abgrenzung der Mahnwachen nach rechts um mehr als Lippenbekenntnisse handelt.

" Wir legen Wert darauf, nicht als Partner der Mahnwachenbewegung genannt zu werden. Wir mögen es auch nicht, wenn auf Kundgebungen der Montagsmahnwachen verkündet wird: 'Wir bringen die Grüße der Bündnisse, in der die VVN-BdA mitwirkt'", erklärte der Bundessprecher der VVN-BdA gegenüber Telepolis. Die Organisation, in der alte und junge Antifaschisten zusammenarbeiten, gehörte seit Jahren zu den Kooperationspartnern der Friedensbewegung.

Laura von Wimmersperg und Jutta Kausch von der Berliner Friedenskoordination können diese kritische Stimmen verstehen. Gegenüber Telepolis betonen sie:

Die Friedensbewegung war und ist weltanschaulich nicht homogen. Aber alles, was die Voraussetzung zur Erlangung und Durchsetzung der Forderung "Nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus" behindert, setzt eine Grenze im Zusammengehen.

Die Koordinatorin des Jugendportals En Paz, das sich um Friedensbildung junger Menschen widmet, Jenny Becker, steht den Montagsmahnwachen noch abwartend gegenüber. Ihnen sei es aber mit dem "diffusen Protest“ gelungen, auch junge Menschen anzusprechen, die die klassische Friedensbewegung als verstaubt und altmodisch ansieht.

Wie weit geht die Kooperation im "Friedenswinter"?

Unter dem Label Friedenswinter 2014/15 planen Friedensbewegung und Montagsmahnwachen in den nächsten Wochen gemeinsame Aktionen. Der Aufruf liest sich so, als hänge es vor allem vom Verhalten der Individuen ab, ob es Krieg und Gewalt gibt oder nicht. Gesellschaftliche Verhältnisse kommen dort kaum vor.

Doch ob er zur friedlichen Kooperation in der Bewegung beiträgt, ist fraglich. Neben der VVN-BdA sind auch andere langjährige Partner der Friedensbewegung auf Distanz gegangen und warnen vor einem Rechtsruck in der Friedensbewegung. Allerdings wäre es ein Missverständnis, die deutsche Friedensbewegung pauschal in die linke Ecke zu stellen.

In ihr waren immer auch Konservative und Nationalisten aktiv, die Deutschland blockfrei halten wollten. Auch Alfred Mechtersheimer konnte als Nationalpazifist in der damaligen Friedensbewegung kurzzeitig Karriere machen, bevor er sich dann ganz der rechten Szene verschrieb. Ideologisch musste er sich nicht viel ändern.