Eon: Wer finanziert den Abriss der AKW?

Das Schicksal der Atom-Rückstellungen wird mit Erträgen alter Kraftwerke und Forderungen nach neuen Subventionen verknüpft

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Eon hat, wie berichtet, zu Wochenbeginn die Aufspaltung seines Geschäfts angekündigt. Wasser-, Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke sollen in eine neue Gesellschaft ausgelagert werden. Die Bereiche globaler Handel, Netze und Vertrieb außerhalb Europas sowie Förderung und Exploration werden dieser ebenfalls zugeschlagen. Bei letzterem handelt es sich um Aktivitäten in Algerien, Großbritannien, Norwegen und Russland. Laut Handelsblatt vom 30.11. wird allerdings schon darüber spekuliert, ob sich der Konzern von diesem Geschäftsfeld ganz trennt.

Derweil will Eon an der neuen Gesellschaft einen Minderheitsanteil behalten und weitere Anteile seinen Aktionären andienen. Der Rest soll ab 2016 an die Börse gebracht und die Einnahmen im verbleiben Unternehmen investiert werden. Dies wird sich mit rund 40.000 Mitarbeitern auf den Bereich erneuerbare Energieträger sowie Vertrieb und Netze in Deutschland und dem Rest der EU konzentrieren. Wie es aussieht, soll aber vorher noch die Niederlassung auf der Iberischen Halbinsel für 2,5 Milliarden Euro verkauft werden.

Die Eon-Aktie hat seit ihrem Höchststand 2008 rund 70 Prozent verloren. Das Unternehmen hat in der Vergangenheit Dutzende Milliarden Euro mit dem Ankauf von Unternehmen und Beteiligungen in diversen Ländern versenkt. Nachdem es inzwischen einen Teil davon sowie andere Investitionen für 20 Milliarden Euro wieder veräußert hat, bleibt noch immer ein ansehnlicher Schuldenberg von 31 Milliarden Euro. Die Konkurrenz durch den Ökostrom ist also nicht der einzige Grund für die E.on-Malaise.

Unterdessen beeilt sich Konzernchef Johann Teyssen (Jahreseinkommen 2013 5,7 Millionen Euro) im Interview (Pay Wall) mit dem Handelsblatt Befürchtungen zu zerstreuen, die Abwicklung der Hinterlassenschaften des Atomzeitalters könnten nun auf wackeligen Füßen stehen. Die neue Gesellschaft, in der auch die vorgeschrieben Rückstellungen für den Abriss der AKW in Höhe von 14 Milliarden Euro überführt werden, sei durchaus lebensfähig.

Die Rückstellungen werden also im Vermögen der, wie Teyssen versichert, schuldenfrei startenden Gesellschaft stecken. Ihre Sicherheit hängt damit nicht zuletzt von der Bewertung des Kraftwerkparks ab. Bei der Wasserkraft dürften die wenigsten Probleme auftreten. Der Strom gilt als sauber, wird also auf Dauer gefragt sein, und die Anlagen haben eine sehr hohe mögliche Betriebszeit.

Das zweite Standbein ist da schon wackeliger. Mit den deutschen und schwedischen AKW lässt sich zwar zur Zeit noch viel Geld machen, aber die hiesigen Meiler müssen bis spätestens 2022 vom Netz. Auch die drei Reaktoren im schwedischen Oskarshamn werden sich nicht sehr viel länger betreiben lassen. Immerhin haben diese bereits zwischen 29 und 43 Jahren Laufzeit auf dem Buckel, und schon jetzt kämpft man dort offensichtlich nicht nur gegen Quallen, sondern auch gegen einen ganz besonderen Schlendrian.

Auch beim dritten Standbein der neuen Gesellschaft, den Kohle- und Gaskraftwerken, sieht es nicht besonders rosig aus: In den letzten Jahren haben sie wegen des implodierten Börsenstrompreises erhebliche Verluste eingefahren. Selbst wenn sich das in den nächsten Jahren ändern sollte, bleibt aber die Tatsache, dass viele dieser Anlagen bereits 30 und mehr Betriebsjahre hinter sich haben. Sie werden also noch in diesem, spätestens aber im nächsten Jahrzehnt stillgelegt werden müssen. Es sei denn, es werden umfangreiche Ersatzinvestitionen vorgenommen.

Weshalb Eon-Chef Teyssen die neue Gesellschaft trotzdem für attraktiv hält, erklärt er gegenüber dem Handelsblatt wie folgt:

„Da bin ich ziemlich optimistisch. Wir haben doch bei den bestehenden Marktumständen mehr Chancen als Risiken. Das erleben wir auf allen Roadshows. Investoren setzen dabei auf eine erfolgreiche Revision des Emissionshandels, auf Kapazitätsmärkte – und auf mögliche Zahlungen, die aus bestimmten Rechtsstreitigkeiten resultieren.
Johannes Teyssen

Mit anderen Worten: Wenn es nicht den geforderten Kapazitätsmarkt – das heißt neue Subventionen für fossile Kraftwerke – gibt und der Konzern, bzw. die neu zu gründende Gesellschaft in dessen Nachfolge, nicht die Prozesse gegen den Atomausstieg gewinnt, dann wird es auch nichts mit der Absicherung der AKW-Entsorgung.

Das könnte man auch als politische Erpressung auffassen, und der Gesetzgeber sollte sich vielleicht fragen, ob er diese Teyssen durchgehen lässt und der Aufspaltung Eons tatenlos zuschaut oder nicht besser gleich den Konzern mit seinem gesamten Vermögen – oder zumindest dessen inländischen Anteils – in eine öffentlich-rechtliche Verwaltung überführt, damit eine planvolle und gegenfinanzierte Abwicklung der alten Stromwirtschaft organisiert werden kann.