Ermutigen die Pegida-Aufmärsche auch militante Rechte?

Nach den Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Nürnberger Land verschärft sich die Debatte

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Seit Wochen warnen zivilgesellschaftliche Gruppen, dass die in der Bevölkerung durch Pegida und andere Aufmärsche artikulierte Ablehnung von Flüchtlingen auch militante Neonazis ermutigen könnte, zur Tat zu schreiten. Das wurde oft als Panikmache abqualifiziert. Nun wurden in dem kleinen Ort Vorra im Landkreis Nürnberger Land mehrere Unterkünfte für Geflüchtete, die im kommenden Februar bezogen werden sollten, in Brand gesetzt.

An den Mauern hatten die unbekannten Täter Hakenkreuze hinterlassen. Zum Tatgeschehen gibt es im Presseportal der Polizei von Mittelfranken folgende Informationen:

Am 11. Dezember 2014 gegen 22:45 Uhr wurde der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Mittelfranken durch einen Anwohner ein Feuer im Dachbereich des Anwesens 91247 Vorra, Hirschbacher Straße 1 mitgeteilt. Bei dem Anwesen handelt es sich um ein ehemaliges Gasthaus, das zukünftig als Asylbewerberunterkunft genutzt werden sollte. Das Feuer wurde nach ersten Erkenntnissen mittels Brandbeschleuniger in einem Zimmer im 1. Obergeschoß gelegt. Dieses brannte völlig aus. Personen kamen nicht zu Schaden. Kurz danach wurde ein zweiter Brand in der Hauptstraße 40 gemeldet. Das zweite Anwesen befindet sich ca. einhundert Meter vom ersten Anwesen entfernt. Hierbei handelt es sich um ein ehemaliges Wohnhaus, das ebenfalls als Asylbewerberunterkunft dienen sollte. Das Feuer brach im Treppenhaus aus und konnte schnell gelöscht werden. Es entstand Sachschaden. Während der Löscharbeiten stellten Feuerwehrleute noch einen Schwelbrand im Nebengebäude der Hirschbacher Straße 1 fest, der ebenfalls rasch gelöscht wurde. Der Gesamtschaden an den Gebäuden wird auf ca. 700.000 € geschätzt.“

Kein Boden für die extreme Rechte in Bayern?

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann geht daher auch von einem Anschlag der extremen Rechten aus. Auf dem CSU-Parteitag, der gestern in Nürnberg begann, betonte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, dass es in Bayern "für Rechtsradikalismus keinen Boden" gebe. Die Aussage ist schon verwunderlich. Denn es gibt ja offensichtlich extreme Rechte in Bayern.

Zudem gilt in der CSU seit den Zeiten von F.J. Strauß die Devise, dass die CSU so weit nach rechts ausgreifen muss, dass daneben kein Platz mehr ist. Dass heißt, die Partei soll die Fragen aufgreifen, die angeblich besorgte Bürger in die Arme der extremen Rechten treibt. Genau diese Argumentationsmuster kommen bereits seit Tagen aus den Reihen der Union, wenn es um die Pegida-Demonstrationen geht, mit denen selbsternannte Patrioten gegen angebliche Islamisierung und Überfremdung auf die Straße gehen.

Selbst der Bundesinnenminister äußert trotz aller von ihm erkannten problematischen Entwicklungen Verständnis für die Demonstranten.

"Unter denjenigen, die da teilnehmen, gibt es doch ganz schön viele, die bringen ihre Sorgen zum Ausdruck vor den Herausforderungen unserer Zeit", zeigte Thomas de Maiziere Verständnis für die besorgten Bürger. Man müsse es ernst nehmen, wenn sich Bürger "fremd im eigenen Land" fühlen. Damit benutzte de Maiziere gar einen Duktus, der schon länger verstärkt von Rechtspopulisten verwendet wird.

Angesichts solch verständnisvoller Töne für die rechte Bürgerbewegung sieht die Taz CDU und AfD im Wettstreit um die Pegida-Anhänger. Der AfD-Vorsitzende Lucke weist bereits länger darauf hin, dass die Forderungen seiner Partei mit den Zielen von Pegida in vielen Punkten übereinstimmen. Damit vollzieht auch Lucke, der als Exponent des neoliberalen Flügels der AfD gilt, einen Rechtsruck mit. Noch vor und kurz nach den Bundestagswahlen wollte er gegen heftige Kritik des erstarkenden rechten Flügels die AfD nicht in erster Linie mit dem Widerstand gegen Islamisierung und Einwanderung verbunden wissen.

Welche Konsequenzen hat der Anschlag für die Pegida-Bewegung?

Nun wäre es sicher falsch, allen Pegida-Demonstranten zu unterstellen, sie würden Flüchtlingsunterkünfte in Brand setzen wollen. Es wird aber ein politisches Klima geschaffen, in dem sich auch die extreme Rechte als Vollstrecker eines "Volkswillens" gerieren kann und zur Tat schreitet.

So war es bereits 1980, als zwei vietnamesische Arbeiter in Hamburg von einer Neonazigruppe ermordet wurden. Die ersten offiziell anerkannten rechtsradikalen Morde seit 1945 geschahen zu einer Zeit, als eine massive Kampagne gegen die Zuwanderung von Migranten in der BRD begann. Rechte Professoren unterzeichneten 1981 ein Heidelberger Manifest zur Ausländerbegrenzung. In den frühen 1990er Jahren brannten Flüchtlingsheime, als eine massive öffentliche Kampagne zur Unterminierung des Asylrechts angestoßen wurde, die bis weit in die bürgerliche Mitte hinein reichte.

Auch damals bekamen besorgte Bürger, die applaudierten, als die Fenster von Flüchtlingsunterkünften eingeschlagen wurden, viel Verständnis von Politikern der Union. Auch damals war viel von den Sorgen der Bürger die Rede, die man Ernst nehmen müsse. Und 2014?

Als hätte es diese jahrzehntelange Kampagne nicht gegeben, fabuliert Bild, es fehle eine "konkrete Einwanderungs- und Integrationspolitik". Da steht zu erwarten, dass bald neue Vorschläge für die Einschränkung von Zuwanderung auftauchen werden, die sich auf die besorgten Bürger beruft. Selbst die Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte wurden Anfang der 90er Jahre als Argument für eine schnelle Verschärfung des Asylrechts benutzt.

Dass die rechten Stichwortgeber von Pegida durch die Anschläge in Nürnberg nachdenklich werden, ist nicht zu erwarten. Auf PI-News werden bereits Verschwörungstheorien verbreitet. Danach dient der Anschlag in Nürnberg ebenso der "Manipulierung der Massen" wie die NSU.