OPEC ohne einheitlichen Kurs

Unterschiedliche Konzepte gegenüber einbrechenden Erdölpreis. Venezuelas Präsident spricht von "Ölkrieg" der USA

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In der Organisation Erdöl exportierender Staaten (OPEC) wachsen angesichts der Krise des globalen Energiemarktes die Differenzen. Unklar ist, inwieweit mit den USA verbündete Mitglieder den Preisverfall unterstützen, um Venezuela, Iran und Russland zu schädigen. Zwar ächzen diese drei Staaten unter dem Preiseinbruch, während die arabischen Produzenten über genügend Liquiditätsreserven verfügen. Einen offenen politischen Schlagabtausch aber gab es bislang nicht.

Die Preise für die verschiedenen global gehandelten Erdölsorten sind im Verlauf der vergangenen Monate von 100 US-Dollar auf unter 50 US-Dollar eingebrochen. Für Staaten wie Venezuela und Russland schafft das massive Probleme. Venezuela erzielt trotz des Versuchs, alternative Industriezweige aufzubauen, nach wie vor mehr als 90 Prozent seiner Deviseneinnahmen aus dem Erdölverkauf. Das südamerikanische Land ist daher in eine tiefe Rezession gerutscht, die Inflationsrate betrug 2014 rund 64 Prozent. Die Ratingagentur Moody's stufte die Kreditwürdigkeit des Landes unter dem Eindruck der Devisenkrise auf "Caa3" herab, was eine drohende Staatspleite vermuten lässt.

Und auch Russland steht unter Druck: Der Rubel hat seit Beginn des Jahres gegenüber dem
US-Dollar 16 Prozentpunkte an Wert verloren; 2014 war die russische Währung bereits um 41 Prozent eingebrochen.

Marktexperten führen als Grund für den Preisverfall ein Überangebot durch die Ausdehnung der Fracking-Methode in den USA an. Dabei wird Erdöl in einem aufwändigen Verfahren unter hohem Druck aus Gesteinsschichten gelöst.

In der OPEC ist es umstritten, ob das Preisniveau durch eine Drosselung der Produktion wieder angehoben werden kann. Während Algerien, Iran und Venezuela die Organisation zum Handel aufgefordert haben und auf eine Verknappung des Angebots drängen, sehen die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait den Grund eben im Überangebot durch die Förderung mittels Fracking in den USA. Auch eine Drosselung der OPEC-Produktion in Höhe von derzeit rund 30 Millionen Barrel pro Tag würde am Preisniveau nichts ändern, sagte der kuwaitische Erdölminister Ali al-Omair. Die Emirate, Kuweit und auch Katar setzen darauf, ihr Erdöl vorübergehend billig anzubieten, um die aufwändige Fracking-Methode unrentabel zu machen und die neue Konkurrenz
so in die Knie zu zwingen.

Ungeachtet der technischen Debatte steht auch die These einer politischen Manipulation des Erdölpreises im Raum. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro sprach unlängst von einem "Ölkrieg" der USA gegen missliebige Staaten.

Tatsächlich leiden vor allem die Volkswirtschaften in Venezuela, Iran und Russland unter dem Preisverfall. Das liegt zum einen an der Größe und Einwohnerzahl dieser Länder, zum anderen aber auch an der medialen Aufmerksamkeit, die der Krise in diesen Ländern zukommt. Maduro warf den USA vor diesem Hintergrund vor, die OPEC-Mitgliedsstaaten durch die Ausweitung der Fracking-Methode "in die Knie zwingen" zu wollen. Mit einer Rundreise nach Iran, Katar, Algerien, Saudi-Arabien und Kuwait versuchte der linksgerichtete Staatschef, eine einheitliche Linie der Erdölstaaten auszuhandeln. Allerdings waren die Ergebnisse überschaubar. In Saudi-Arabien vereinbarte er, "alle vier Monate Treffen einer hochrangigen Arbeitskommission wieder aufzunehmen, um die Entwicklung auf dem Erdölmarkt zu diskutieren".

So bleibt die Frage, wie lange die besonders betroffenen Staaten – Algerien, Iran, Russland und Venezuela – den Wertverfall durchhalten. Nach Ansicht von Marktexperten könnte der Preis für Erdöl erst in der zweiten Hälfte 2015 wieder anziehen, spätestens Ende des Jahres. Grund dafür ist auch die wieder steigende Nachfrage aus China. Sie war im Dezember erstmals seit längerer Zeit auf über sieben Millionen Barrel täglich gestiegen.