Spaniens schmierige Träume vor den Kanaren geplatzt

Die spanische Ölkonzern Repsol bricht die Suche nach Öl und Gas erfolglos vor den Kanarischen Inseln ab, was auf den Urlaubsinseln gefeiert wird

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Nicht einmal zwei Monate haben die schwer umstrittenen Probebohrungen nach Öl und Gas vor Lanzarote und Fuerteventura gedauert, die nun verfrüht von dem spanischen Mineralölkonzern Repsol eingestellt wurden. Auf den Ferieninseln herrscht bei der Regionalregierung, bei den Inselregierungen, bei der Tourismusindustrie und Umweltschutzorganisationen gedämpfte Feierstimmung.

"Das Scheitern von Repsol ist ein Sieg der Kanaren“, erklärte der Präsident der Regionalregierung Paulino Rivero. Der Chef der linksnationalistischen "Kanarischen Koalition" (CC) hatte den Protest gegen die Ölsuche angeführt, die von einer großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wurde. Die könne nun wieder in Ruhe leben, fügte Rivero an.

Öl- und Gasvorkommen weder in der Quantität noch in der Qualität zur Förderunggeeignet

"Die Bohrungen haben zwar Öl- und Gasvorkommen bestätigt, aber die Schichten sind zu dünn, um an eine Förderung zu denken", teilte das multinationale Unternehmen mit. Repsol musste auch einräumen, dass die gefunden Ressourcen, "weder in der Quantität noch in der Qualität zur Förderung geeignet sind". Aus der Presseerklärung des Konzerns wird deutlich, dass es nicht die gefallenen Öl- und Gaspreise sind, die eine Ausbeutung der Vorkommen nur derzeit unrentabel machen. Repsol verzichtet nach dem Scheitern 60 Kilometer vor Lanzarote und Fuerteventura sogar darauf, die Untersuchung in zwei weiteren Gebieten fortzusetzen, für die der Konzern von der Zentralregierung eine Genehmigung erhalten hatte.

Das hat zur Folge, dass das teure Bohrschiff Rowan Renaissance nun wieder zurück nach Angola beordert worden wurde, um vor der angolanischen Küste wieder nach Öl zu suchen. 140 Millionen Euro hat der Ausflug Repsol gekostet. Er wurde damit sogar noch deutlich teurer als mit 100 Millionen pro Untersuchung veranschlagt worden war. Dabei war auch dem Konzern klar, dass die Erfolgschancen gering wären, die sogar noch auf optimistische 15 bis 20 Prozent geschätzt wurden. Denn wenig erfolgreich waren zuvor schon Probebohrungen Marokkos in der Nähe verlaufen.

Genehmigung besteht weiter

Nie zuvor kam es zu so großen Demonstrationen auf den Inseln, wie gegen dieses Vorhaben von Repsol. Die Argumente für die Ablehnung waren vielschichtig. Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace verwiesen darauf, dass eines dem wertvollsten ökologischen Gebiete weltweit schon durch Untersuchungen "schwer geschädigt" würde.

Sie bezichtigte die Zentralregierung, die wegen der großen Energieabhängigkeit Spaniens die Suche vorantrieb, der "Lüge", weil sie das Gegenteil behauptete. Während Lanzarote und Fuerteventura um seine Wasserversorgung fürchtete, das fast ausschließlich über Meerwasserentsalzung gewonnen wird, fürchtete die Tourismusindustrie, dass die vielen Urlauber die Inseln meiden würden, wenn sie zukünftig auf Ölplattformen blicken müssten und Ölfladen angeschwemmt würden.

Greenpeace hatte versucht, die Bohrungen zu stoppen, wurde aber von der spanischen Marine in angegriffen, wobei eine Aktivistin ins Wasser fiel und schwer verletzt wurde. Die spanische Regierung wirft der Organisation sogar "Piraterie" vor. Die Arctic Sunrise wurde sogar beschlagnahmt, weil Greenpeace gegen das Seeverkehrsrecht verstoßen habe. Das ist eine schwere Anschuldigung, mit der die Organisation noch nie konfrontiert war.

Aufklärung fordert die Organisation nun nicht allein darüber, wieso die Marine ein privates Unternehmen schützt, sondern sie will auch wissen, welche Schäden die Probebohrungen seit dem 18. November angerichtet haben. Schließlich handelte es sich bei dem Gebiet auch um ein Rückzugsgebiet für bedrohte Arten wie Wale. "Die Bohrungen haben negative Auswirkungen auf die Orte, in denen sie durchgeführt werden und das ist auf den Kanaren, in Alaska, Guinea, Brasilien … so und wird von den Ölfirmen auch anerkannt", erklärt Greenpeace-Sprecher Julio Barea.

Barea wirft Repsol vor, sich "auf leisen Sohlen" aus dem Staub machen zu wollen, um nicht noch mehr Geld zu verlieren und sein Image nicht noch stärker zu beschädigen. Der Jubel über den Rückzug ist aber auch bei den "Freunden der Erde" gedämpft. Ihr Sprecher Alejandro González verweist darauf, dass der Rückzug nicht "definitiv" sei, da die Genehmigung weiter bestehe. Die müsse zurückgezogen werden, damit Repsol "niemals wieder zurückkehrt", sagte er. Die Gebiete müssten nun endlich als Schutzzonen ausgewiesen werden.

Zweifel am Demokratieverständnis der Regierung

Beschädigt wurden über den Vorgang auch das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der konservativen Zentralregierung. Dass die der Regionalregierung sogar verbot, die Bevölkerung per Referendum entscheiden zu lassen, ließ viele auf den Inseln vor der afrikanischen Küste am Demokratieverständnis der regierenden Volkspartei (PP) im fernen Madrid zweifeln, die ja auch eine Volksbefragung über die Unabhängigkeit Kataloniens verbot.

Rivero hat der PP immer wieder "Kolonialismus" vorgeworfen, weil sie die Inseln nicht entscheiden lasse und sich die Schätze der Region "widerrechtlich" aneignen wolle. Immer wieder wurde auch der Rücktritt von Industrieminister José Manuel Soria gefordert und diese Forderungen leben nun verstärkt auf. Er hat das Scheitern politisch zu verantworten.

Er erteilte die Genehmigung, obwohl der Oberste Gerichtshof die Bohrungen schon einmal 2004 gestoppt hatte, da keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden war. Soria, der selbst von den Kanaren stammt, nannte die Entscheidung Repsols eine "schlechte Nachricht für Spanien und die Kanaren". Er hatte immer wieder propagiert, dass bis zu 150.000 Barrel Öl tagtäglich gefördert werden könnten und zahlreiche Arbeitsplätze entstehen würden. Allerdings wird Soria auch immer wieder vorgeworfen, praktisch wie ein Vertreter des Unternehmens zu agieren, wie im Streit mit Argentinien.

Auf den Inseln glaubten das nur wenige. Für die große Mehrheit ist es eine gute Nachricht, dass ein rückschrittliches Modell scheiterte. Denn in dem Konflikt hat sich auch das Bewusstsein verändert und immer stärker rücken erneuerbare Energien in den Mittelpunkt. "Nein zu Ölfirmen - Ja zu erneuerbaren Energien“ lautete das Motto der Proteste. Und erfolgreich wird das inzwischen auf El Hierro in die Praxis umgesetzt.

Ein Pumpspeicherwerk ermöglicht es seit vergangenem Juni, diese Kanareninsel zu 100 Prozent über Ökostrom zu versorgen. Das sehen viele als ein nachahmenswertes Beispiel für andere Inseln an.