Enercon: Punktsieg für Betriebsrat

Windenergiefirma wollte Betriebsrat feuern und verlor nun vor dem Arbeitsgericht

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Das Arbeitsgericht Magdeburg hat vergangene Woche einer Tochtergesellschaft des Windkraftanlagenherstellers Enercon das Recht abgesprochen, den Vorsitzenden des Betriebsrats zu entlassen. Das berichtet die in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts erscheinende Volksstimme.

Die WEA Service Ost befindet sich im Streit mit dem Arbeitnehmervertreter Nils Holger Böttger über die Behandlung von Zeitarbeitern. Das Unternehmen hatte von diesen verlangt, dass sie an einem Samstag ohne Bezahlung an einer Fortbildung teilnehmen.

Böttger hatte sich für die Mitarbeiter beim Management und bei der Leihfirma eingesetzt, konnte jedoch nichts erreichen. Daraufhin hatte er in einer Rundmail an die Belegschaft die Behandlung der Leiharbeiter kritisiert. Der Unternehmensvorstand hatte darin geschäftsschädigendes Verhalten gesehen und vom Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung Böttgers verlangt. Da das Gremium sich querstellte, zog das Unternehmen vor Gericht.

Doch das befand nun, dass Böttgers Aussagen in der Rundmail durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien. "Ich bin sehr erleichtert: Jetzt haben wir es endlich schriftlich, dass die deutschen Gesetze auch in der Windkraftbranche gelten. Auch die Rechte der Leih-Kollegen bei Enercon sind heute gestärkt worden", sagte Böttger nach Angaben der Industriegewerkschaft Metall.

Allerdings ist der Fall noch nicht ausgestanden. Dem Unternehmen bleibt die Möglichkeit, in die nächste Instanz vors Landesarbeitsgericht zu gehen. Böttgers Anwälte Mechthild Garweg und Daniel Weidmann hielten die versuchte Kündigung von Anfang an für unhaltbar: "Mit seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht nun eindeutig klargestellt, dass Arbeitgeber die Meinungsfreiheit zu achten haben. Maulkörbe gegen kritische Betriebsräte sind eindeutig rechtswidrig", so Weidmann.

Der Fall hatte in den letzten Monaten nicht nur den Landtag Sachsen-Anhalts beschäftigt, sondern auch in vielen Metallbetrieben für Solidaritätsbekundungen gesorgt. Rund 19.000 Unterschriften wurden nach Angaben der Gewerkschaft gegen die geplante Entlassung gesammelt. Am 21. Januar hatte es vor dem Arbeitsgericht in Magdeburg eine Kundgebung gegeben, an der 200 Menschen teilnahmen.

Hartmut Meine, IG-Metall-Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, bezeichnete Enercon bei dieser Gelegenheit als eines der mitbestimmungsfeindlichsten Unternehmen in Deutschland: "Ein Unternehmen, das für eine nachhaltige Energieproduktion steht und von Steuergeldern profitiert, die vor allem von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erarbeitet werden, lässt nichts unversucht, die innerbetriebliche Demokratie zu verhindern. Die Geschäftsführung", so Meine weiter, "agiert wie im vorletzten Jahrhundert, behandelt Beschäftigte respektlos und scheut nicht davor zurück Beschäftigte und Betriebsräte massiv unter Druck zu setzen. Die IG Metall fordert Enercon auf, endlich zur Vernunft zu kommen und die Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden zurückzunehmen."