Wann dürfen Telefonnummern von Jobcenter-Mitarbeitern veröffentlicht werden?

Der Streit über Veröffentlichung und Entfernen der Liste durch die Piraten

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Viele Erwerbslose kennen das Problem. Sie wollen ihre Sachbearbeiter im Jobcenter telefonisch in einer dringenden Angelegenheit erreichen und haben keine Telefonnummer. In der Jobcenter-Zentrale werden sie aber nicht weitergeleitet. Bis letzte Woche konnten sie über das Wiki der Piratenpartei die Telefonnummern erfahren.

Doch seitdem 10. Februar ist die Liste nicht mehr verfügbar. "Aufgrund der Anordnung AZ 591.327.1 des Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit“ sei die Seite gelöscht worden, heißt es auf der Website der Piraten.

"Diese Mitteilung ist falsch. Es hat von Seiten unserer Behörde noch keine Anordnung geben“, erklärte der Pressesprecher des Berliner Beauftragen für Datenschutz und Informationsfreiheit, Joachim-Martin Mehlitz, gegenüber Telepolis. Seine Behörde habe allerdings die Piraten in einem Anschreiben darauf hingewiesen, dass die Veröffentlichung der Telefondaten gegen Datenschutzverordnungen verstoßen könnten.

Die in dem Wiki genannte Kennung sei das Aktenzeichen dieses Briefes. Die Pressesprecherin der Piratenpartei, Anita Möllering, bestätigte gegenüber Telepolis den Eingang dieses Schreibens: "Es handelt sich dabei nicht um eine Anordnung. Der Eintrag im Wiki wurde insoweit missverständlich formuliert."

Wie kamen die Piraten an die Telefonnummern?

Joachim-Martin Mehlitz stellte klar, es sei durchaus möglich, die Telefonnummern der Jobcenter-Mitarbeitern zu veröffentlichen, wenn sie im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) ermittelt wurden. Es bestehe allerdings der Verdacht, dass die Telefonlisten auf dem Piraten-Wiki illegal in den Besitz der Piratenpartei gelangt seien.

"Es handelt sich durchaus um Informationen, die im Rahmen von IFG-Anfragen in Erfahrung gebracht wurden“, widersprach hingegen Anita Möllering. Die Telefonlisten seien ursprünglich von Harald Thome vom Erwerbslosenverein Tacheles über IFG-Anfragen ermittelt worden. Nachdem Thome das Projekt aufgrund von zahlreichen Klagen und der Androhung von Geldstrafen aufgegeben hatte, übernahm die Piratenpartei das Projekt im letzten Jahr.

Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit der Piratenpartei

Das werde die Piratenpartei in einer Stellungnahme zum Schreiben des Datenschutzbeauftragten, die zurzeit erarbeitet wird, klarstellen, so Möllering: "Die Telefonliste wird nicht dauerhaft abgeschaltet.“ Das hoffen auch viele Erwerbslose. "Gerade im Zuge der Verschärfungen des ALG II und seiner Anwendungen sei die Telefonliste notwendig", betonen Betroffene. Möllering übt Selbstkritik: "Wir müssen das Thema erst einmal aufarbeiten, da der Vorgang bisher nicht ausreichend dokumentiert wurde."

Die Auseinandersetzung um die Veröffentlichung der Telefonnummern von Jobcenter-Mitarbeitern beschäftigte die Medien schon etwas länger. Vor mehr als 2 Jahren hatte Harald Thome vor dem Verwaltungsgericht Leipzig das Urteil erstritten, das die Jobcenter verpflichtet, die Telefonlisten offenzulegen . Ein Jahr später zog Thome eine ernüchternde Bilanz. Er begründete er seinen Ausstieg aus dem Projekt:

Seit einem Jahr veröffentliche ich bundesweite Jobcentertelefonlisten. Nach einem Jahr ist Zeit, Bilanz zu ziehen, und ich muss feststellen, es war weitgehend ein Jahr der Anfeindungen, Beleidigungen, Bedrohungen, Gewaltandrohungen und wirtschaftlichen Existenzbedrohung. Einfach Stress.

"Seine Kapitulation ist ein Sieg der Einschüchterung und Geheimniskrämerei“, kommentierte Twister auf Telepolis vor mehr als einem Jahr diesen Schritt. Im Fall der Piraten ist wohl noch nicht ganz entschieden, ob dieses pessimistische Urteil wiederholt werden muss.