Spanisches Erdbeben schürt Fracking-Ängste

Das ungewöhnlich starke Erdbeben im spanischen Südosten verstärkt auch Zweifel am Standort des geplanten Atomlagers

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Die Geologen werden derzeit nicht müde zu erklären, dass das relativ schwere Erdbeben am Montag im spanischen Südosten nichts mit dem umstrittenen Fracking zu tun hat. Das Beben am Nachmittag mit einer Stärke von 5,2 war sogar fast im ganzen Land zu spüren. Das Nationale Geografie-Institut (IGN) teilte mit, dass es sein Epizentrum bei der Ortschaft Ossa de Montiel in der Provinz Albacete hatte. Da es sich in etwa zehn Kilometer Tiefe ereignete, wurden kaum Schäden verzeichnet. "Das Beben war für spanische Verhältnisse ungewöhnlich stark", sagte der Institutssprecher Juan Vicente Cantabella.

Die Spekulationen darüber, dass das Beben über das "Hydraulic Fracturing" ausgelöst wurde, werden nun allseits dementiert. Gespeist wurde die Angst, die sich in der Region fast zu einer Psychose ausgeweitet hat, weil die Firma Oil and Gas Capital seit 2012 Genehmigungen in der Umgebung von Montiel hat, um dort nach Öl und Gas über das umstrittene Fracking zu suchen. Deshalb wurde von einigen schnell ein Zusammenhang zu dem Beben hergestellt.

Doch, so berichtet die Firma, wurde bisher nicht mit Bohrungen begonnen. Das bestätigte auch Víctor García von der grünen Partei "Equo" in der Region Kastilien-La Mancha: "Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass mit den Arbeiten begonnen wurde." Er nutzte aber die Möglichkeit, um erneut auf die Fracking-Gefahren hinzuweisen. Er spricht von einer möglichen "Verseuchung des Grundwassers" und von den ungeklärten Effekten, die dieses Verfahren im Untergrund zeitigten, "noch dazu in einem Erdbebengebiet". Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien über Bohrungen unter großem Druck auch mehrere tausend Meter tief in den Untergrund gepresst, um das Gestein aufzubrechen und vorhandenes Öl oder Gas zu lösen.

Dass es darüber zu seismischen Aktivitäten kommt, bestreitet niemand, auch der Präsident der Berufsgenossenschaft der Geologen (ICOG) nicht. Luis Eugenio Suárez spricht aber von einem "Fehlschluss", dass Erdbeben durch Fracking auf der Iberischen Halbinsel ausgelöst werden, "unter anderem auch deshalb, weil es bisher nicht einmal Probebohrungen" gäbe. Die durch Fracking "induzierte Seismizität erreicht höchsten eine Stärke 3 oder etwas mehr", erklärte er.

In diesem Bereich lag das ungewöhnliche Beben in Ohio, das Wissenschaftler aus den USA gerade im Bulletin der Seismologischen Gesellschaft Amerikasder Methode zuschreiben. Allerdings machen kanadische Kollegen im Bundesstaat Alberta das Fracking auch für Beben nahe der Stadt Fox Creek verantwortlich. Dort wurde das stärkste Beben aber mit 4,4 registriert.

Die Angst vor schweren Beben, die durch menschliche Aktivitäten ausgelöst wird, ist gerade im spanischen Südosten nicht unbegründet. Schließlich war für mehr als 500 Beben, die eine Stärke bis zu 5,1 auf der Richterskala erreichten, die Einlagerung von Gas in ein leergepumptes Erdölfeld verantwortlich. Damit war 2013 vor der Küste Valencias begonnen worden. Über eine Plattform im Meer wurde der große Hohlraum mit dem flüssigen Gas gefüllt. Und das aktivierte eine Verwerfung, die zuvor nicht geologisch untersucht wurde, und löste die Erdbeben aus, die vor allem Valencia und Katalonien erschütterten. Die Beben waren aber auch in der Nachbarregion Kastilien-La Mancha deutlich spürbar.

Die Technik, die zur Gas-Befüllung eingesetzt wird, ist dem Fracking sehr ähnlich. Die Einlagerung wurde nach heftigen Protesten definitiv gestoppt, womit weitere Erdbeben ausblieben. Die Steuerzahler kostete es aber 1,3 Milliarden Euro, mit denen die Betreiberfirma entschädigt wurde. Das Vertrauen in die Behörden wurde darüber stark erschüttert. Beben, die offensichtlich nichts mit menschlichen Aktivitäten wie am Montag zu haben, schüren deshalb trotz allem die Ängste vor Fracking. Equo fordert, die Lizenzen für das Fracking nun für sechs Jahre auszusetzen, denn es müsse geklärt werden, ob über das geplante Fracking in dem Erdbebengebiet Verwerfungen aktiviert oder reaktiviert werden und Beben wie am Montag verstärkt auftreten.

Das Beben am Montag erschüttert nun noch stärker die Pläne zum Bau des "Zentralen Atomaren Zwischenlagers" (ATC), in dem Spanien seine hochradioaktiven Abfälle für 60 Jahre einlagern will. Das Projekt, das im Dorf Villar de Cañas realisiert werden soll, liegt ohnehin schon auf Eis. Es werden zwei neue Gutachten abgewartet, weil geologische Studien starke Zweifel an der Eignung des Standorts aufkommen ließen, denn immer wieder tauchten Problemebei der Fundamentierung auf. Der Standort liegt nur gut 100 Kilometer Luftlinie vom Epizentrum des Erdbebens entfernt. 2007 wurde ein weiteres schweres Erdbeben mit der Stärke 5,1 nur 50 Kilometer südlich des geplanten Lagers registriert. Der geplante Standort ist zudem ein Überflutungsgebiet, verfügt über viele unterirdische Wasserläufe, weshalb bei einem durch ein Erdbeben verursachten Unfall in dem Atomlager schnell das Grundwasser verseucht werden könnte, befürchten Geologen und Umweltschützer.