Kohle: Kraftwerk Moorburg am Netz

In Hamburg hat das lange umkämpfte Steinkohlekraftwerk Moorburg den kommerziellen Betrieb aufgenommen. Seine Wirtschaftlichkeit ist höchst fraglich

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Nun ist in Hamburg also Vattenfalls Megakraftwerk Moorburg in den kommerziellen Betrieb gegangen. 1.640 Megawatt (1,64 Gigawatt) Leistung bringt es ans Netz. Der Konzern geht davon aus, damit 11 Milliarden Kilowattstunden im Jahr zu erzeugen, was zunächst wohl eher nur Wunschdenken ist. Das würde nämlich voraussetzen, dass die beiden Blöcke jeweils rund 6.700 Stunden im Jahr unter voller Last laufen. Das aber ist angesichts des Überangebots an Strom auf dem deutschen Markt sehr unwahrscheinlich, denn das Jahr hat nur 8.760 Stunden.

Der deutsche Stromexport ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Grafik beruht vermutlich auf den Rohdaten der Leipziger Strombörse. Der im Text zitierte Wert für den Nettoexport liegt für 2014 etwas höher und stammt von der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen. Grafik: Fraenhofer ISE

Das neue Kraftwerk wird mit Steinkohle befeuert. Genau hier liegt das Problem - nicht nur für die Umwelt, sondern auch für Wirtschaftlichkeit der Anlage. Neben den Gaskraftwerken kämpfen auch die meisten Kohlekraftwerke mit dem Überangebot, das durch den Ausbau der erneuerbaren Energieträger einerseits und den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken andererseits erzeugt wird. Im vergangenen Jahr hat Deutschland deshalb noch einmal seinen Export von Strom auf ein neues Rekordniveau von 32,98 Milliarden Kilowattstunden steigern können. Das waren immerhin gut sechs Prozent des Inlandverbrauchs.

Stromerzeugung von Kohlekraftwerken im Januar 2015. Die Anlagen können aufgrund des Überangebots und des vielen Sonnen- und Windstrom nur noch selten mit Volllast fahren. An der linken Achse ist die jeweils eingespeiste Leistung abzulesen. Das Maximum von möglichen knapp 28 GW wurde zur keiner Zeit auch nur annähernd erreicht. Grafik: Fraunhofer ISE

Die zweite Grafik zeigt exemplarisch für den Januar 2015, dass unter diesen Bedingungen Kohlekraftwerke oft herunter geregelt werden müssen. Während 2014 Steinkohlekraftwerke mit einer Leistung von 27,85 GW in Betrieb waren, wurden davon im Januar in seltenen Fällen etwas mehr als zwei Drittel genutzt, die meiste Zeit hingegen deutlich weniger.

Strompreise an der Leipziger Börse im Januar 2015. Grafik: Fraunhofer ISE

Mit anderen Worten: Moorburgs Jahresproduktion dürfte eher in der Nähe von fünf als von elf Milliarden Kilowattstunden liegen. Außerdem wird der Konzern mit niedrigen Abnehmerpreisen zu kämpfen haben. An der Börse in Leipzig ist sowohl im Tageshandel als auch für Lieferungen am nächsten Tag nur selten mehr als fünf Cent pro Kilowattstunde zu erzielen und meistens auch nicht einmal das.

Das würde dann jährliche Einnahmen von – sehr grob überschlagen – 250 Millionen Euro für Vattenfall bedeuten. Davon müssten das Personal, der Brennstoff und die Zinsen auf die Investitionssumme von drei Milliarden Euro bezahlt werden. Hört sich nicht gerade nach einem guten Geschäft an.

Ein ganz klein wenig verbessert wird die Bilanz allerdings durch zwei Faktoren: So hat Vattenfall laut Wikipedia einen langfristigen Liefervertrag mit einer nahegelegenen Kupferhütte abgeschlossen, die bis 2040 jährlich eine Milliarde Kilowattstunden abnehmen wird. Wie viel der Konzern dafür erhält, wird nicht verraten, aber viel mehr als sechs maximal sieben Cent pro Kilowattstunde werden es nicht sein.

Außerdem verkauft Vattenfall noch einen kleinen Teil seiner Abwärme an Hamburger Haushalte und Betriebe über das Fernwärmenetz. Aber auch das ist eher ein kosmetisch kleiner Beitrag. Im Jahresdurchschnitt wird das Kraftwerk nur einen Nutzungsgrad von 55 Prozent erreichen. Das heißt, 45 Prozent der chemischen Energie der Kohle wird ungenutzt an die Luft abgegeben und nur etwa zehn Prozent für die Wärmeversorgung genutzt.

Eine kleine Chance gibt es jedoch für Vattenfall noch: Bis 2022 werden rund 12 Gigawatt AKW-Leistung wegfallen. (Die stehen aber in den Verbrauchszentren in Süddeutschland, weshalb die Übertragungsnetzbetreiber, an denen die großen Stromkonzerne immer noch beteiligt sind, bei der Bundesnetzagentur einen Ausbaubedarf angemeldet haben.)

Außerdem werden auch mehr und mehr Kohlekraftwerke aus Altersgründen den Dienst quittieren. Wenn das bisherige Tempo des Ausbaus der erneuerbaren Energieträger erheblich verlangsamt werden kann, wie es bei der Solarenergie bereits gelungen ist, dann könnten sich die verbleibenden Kohlekraftwerke neue Marktanteile sichern. Für das globale Klima wären das allerdings keine guten Aussichten.