China: Von Konjunkturschwäche keine Spur

Prozentual gesehen wächst die Wirtschaft inzwischen etwas langsamer (aber immer noch ziemlich schnell), in absoluten Zahlen sind die Zuwächse inzwischen jedoch gigantisch

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Wie bereits berichtet, tagt in Chinas Hauptstadt Beijing (Peking) derzeit der Nationale Volkskongress, das fast 3000köpfige Mammutparlament des Landes. Zum Auftakt der Jahrestagung legte Premierminister Li Kiqiang am gestrigen Donnerstag den Rechenschaftsbericht seiner Regierung vor. Interessant der Vergleich hiesiger und (deutschsprachiger) chinesischer Medien. Für die einen stehen "Langsameres Wachstum, mehr Militärausgaben" im Vordergrund, die anderen titeln "LI Keqiang betont Umweltschutz" und "Li Keqiang: China will Weltfrieden und Wohlstand wahren". Keine Schlagzeile ist falsch, aber es ist halt alles eine Frage der Perspektive.

Zum Beispiel das Wirtschaftswachstum. Chinas Ökonomie hat seit Beginn der 1990er Jahre des Öfteren elf oder mehr Prozent im Jahr zugelegt; das Mindeste war ein Wert zwischen acht und zehn Prozent. 2014 waren es nur noch 7,4 Prozent, das Wachstumsziel von 7,5 Prozent wurde knapp verfehlt. "Konjunkturschwäche" nannte am Donnerstag nach der Rede Li eine der ersten DPA-Meldungen seine Ankündigung, dass für 2015 nunmehr nur noch sieben Prozent angestrebt werde. Hierzulande würden derlei Wachstumsraten dagegen Begeisterungsstürme auslösen, wo doch ein Prozent schon als Aufschwung gilt und 0,1 Prozent zumindest als Frühlingsbote.

In China wird allerdings schon seit längerem davon gesprochen, dass man sich langsam an niedrigere Wachstumsraten gewöhnen sollte. Um den Grund dafür zu verstehen, muss man sich eigentlich nur vergegenwärtigen, dass es sich bei der Wachstumsrate um einen prozentualen Wert handelt. Was das bedeutet, mag ein Vergleich zwischen den Jahren 2003 und 2013 zeigen. 2003 lag das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 1.417 Milliarden US-Dollar. Der Zuwachs hatte 9,3 Prozent betragen. In absoluten Zahlen legte das BIP also um 120,6 Milliarden US-Dollar zu. Zehn Jahre später war das BIP auf 9.181 Milliarden US-Dollar angewachsen. Der Zuwachs betrug in jenem Jahr 7,7 Prozent, in absoluten Zahlen allerdings schon 656,4 Milliarden US-Dollar. Obwohl die Rate sank, war die Zunahme somit etwas mehr als fünfmal so groß wie zehn Jahre zuvor.

Bekanntlich hat China sich im letzten Jahrzehnt durch dieses exorbitante Wachstum, vor allem durch die damit erzeugte Nachfrage, zur Lokomotive der Weltwirtschaft entwickelt und dadurch 2008ff sicherlich eine größere globale ökonomische Katastrophe verhindert. Auch hierzu ein paar Zahlen: 2003 führte die Volksrepublik Waren im Wert von 412,8 Milliarden US-Dollar ein und verkaufte für 438,4 Milliarden US-Dollar in alle Welt. 2013 betrug der Import schon 1.950 Milliarden US-Dollar und der Export 2210 Milliarden US-Dollar. Die Regierung geht davon aus, dass diese Werte 2015 um jeweils sechs Prozent also um 117 und 133 Milliarden US-Dollar gesteigert werden. Mit anderen Worten: Die Wachstumsraten mögen kleiner ausfallen, aber China bleibt bis auf Weiteres der Motor der globalen Ökonomie. (Alle Angabe nach Fischer Weltalmanach 2005, 2006 und 2015 oder daraus abgeleitet.)