Klima: Schwindsüchtiges Meereis

Schon zum Frühlingsbeginn ist das Eis auf dem Arktischen Ozean auf Rekord-Tiefststand. Winter war der wärmste je gemessene

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Das Eis auf dem Arktischen Ozean und den benachbarten Meeren scheint in diesem Winter sein Maximum bereits am 28. Februar erreicht zu haben, berichtet das US-amerikanische National Snow and Ice Data Center. Das wäre nicht nur außerordentlich früh – normaler Weise wird der Höhepunkt irgendwann Mitte März oder in dessen zweiter Hälfte erreicht. Die Ausdehnung des Meereises ist auch so niedrig wie nie zuvor zu dieser Jahreszeit seit Beginn der regelmäßigen Satellitenmessungen Ende der 1970er Jahre.

Zur Zeit ist die Eisfläche fast 1,2 Millionen Quadratkilometer kleiner als der Mittelwert der Jahre 1979 bis 2008 für diese Zeit. Besonders in den Randmeeren gibt es viel zu wenig Eis. In der östlichen Ostsee zum Beispiel, wo sich das Eis in den letzten Jahren oft rar gemacht hat. Bei der NASA gibt es hier anschauliche Grafiken, die zeigen, wie wenig Eis zum Beispiel südlich der Beringstraße oder im Ochotskischen Meer zwischen Kamtschatka und Sibirien auf dem Wasser schwimmt. Damit startet das Meereis heuer vermutlich von einem sehr niedrigen Niveau in die jährliche Schmelzsaison, aber derzeit könnte ein größerer Kälteeinbruch in den entsprechenden Regionen das Eis noch einmal wachsen lassen.

Das Meereis in den Polarregionen unterliegt regelmäßigen Schwankungen. Auf den offenen Ozeanen der Südhalbkugel verschwindet es im dortigen Sommer meist nahezu vollständig, auf dem arktischen Ozean im hohen Norden überstehen hingegen bisher einige Millionen Quadratkilometer die rund um die Sommersonnenwende für einige Monate nicht untergehende Sonne. In den letzten Jahrzehnten – besonders ab Beginn des Jahrtausends – hat das mehrjährige Eis jedoch erheblich abgenommen und der Trend zeigt eindeutig weiter nach untern.

Auswirkungen hat das vor allem für das Klima; nicht jedoch – oder nur sehr marginal – auf den Meeresspiegel. Denn das Meereis schwimmt auf dem Wasser, verdrängt also soviel Wasser, wie in ihm gebunden ist. Solange das Meer von Eis bedeckt ist, wird rund 60 Prozent der einfallenden Sonnenstrahlung zurück ins Weltall reflektiert. Sie trägt also zur Energiebilanz des Klimasystems nicht bei. Schwindet das Eis, dringt der größte Teil der Strahlung ins Meer ein und kann es erwärmen. In der Folge werden auch die Atmosphäre und schließlich die an das Meer grenzenden Permafrostregionen wärmer.

Insofern wäre eine besonders niedrige Eisbedeckung schon zur Tag- und Nachtgleiche, dem Tag, an dem überall auf der Erde Tag und Nacht gleich lang sind, besonders besorgniserregend. Wenn das Eis nämlich ähnlich rasch abnimmt wie in manchem der letzten Jahre, dann würde das bedeuten, dass größere Teile des Meeres besonders lange der Sonne ausgesetzt sind. (In diesem Jahr trat das erste sogenannte Äquinoktium, das für die Nordhalbkugel den astronomischen Frühlingsbeginn markiert, am gestrigen Freitag um 23:45 Uhr MEZ ein.)

Abweichung der Durchschnittsemperatur für Dezember bis Februar von den langjährigen entsprechenden lokalen Mittelwerten. (Bild: GISS/NASA)

Angesichts der meist weist überdurchschnittlichen Temperaturen, die in diesem Winter in den gemäßigten und hohen nördlichen Breiten herrschten – mit der markanten Ausnahme rekordverdächtiger Schneefälle und Kälteeinbrüche im Osten der USA –, ist der Zustand des arktischen Meereises nicht weiter verwunderlich. Die US-Behörde NOAA hat gerade mitgeteilt, dass der Februar im globalen Mittel der zweitwärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war. Die Periode Dezember 2014 bis Februar 2015 – auf der Nordhalbkugel die Wintermonate, im Süden des Äquators hingegen der Sommer – war die wärmste je für diese drei Monate beobachtete. Für einen Teil der Nordamerikaner mag das überraschend kommen, aber obige Grafik zeigt ganz anschaulich, dass zum Beispiel fast überall in Eurasien vergleichsweise milde Temperaturen – gemessen natürlich immer an der regionalen Norm – vorherrschten.