Vom IWF-Chefsessel in den Knast?

Der konservative spanische Ex-Finanzminister Rodrigo Rato steht ganz in der Familientradition und muss sich nun auch noch wegen Geldwäsche verantworten

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Es hat Tradition in der Familie Rato. Der Vater und der Bruder von Rodrigo Rato mussten schon 1966 in den Knast, weil sie illegal Geld in die Schweiz verschoben. Zu drei Jahren wurde der Vater in der Franco-Diktatur verurteilt, der Bruder kam etwas günstiger weg, weil sie illegal Devisen unter dem Deckmantel der Banco Siero ins Steuerparadies abzweigten. Und das Nesthäkchen der Familie wollte offenbar nicht nachstehen. Deutlich wurde das daran, dass er 2012 die Steueramnestie seines Nachfolgers im Finanzministerium nutzte, um aus Steuerparadiesen 6,2 Millionen Euro nach Spanien zu bringen und zu legalisieren.

Doch offensichtlich handelt es sich nicht einfach nur um Steuerhinterziehung, denn die wäre damit abgegolten. Denn die Ermittler gehen von einer illegalen Herkunft aus. Deshalb wird insgesamt gegen 705 Personen ermittelt, die auch die Steueramnestie zur Legalisierung von Schwarzgeldern genutzt haben. Weil kürzlich das Online-Portal "Voxpopuli" darüber berichtete und Rato zahlreiche Aktivitäten zur Auflösung von Firmen tätigte, die unter den Namen von Familienmitgliedern liefen, und mehrfach in die Schweiz flog, mussten die Ermittler nun schnell tätig werden, damit Beweise nicht zerstört werden.

Am Donnerstag wurde der konservative Ex-Finanzminister nun in der Hauptstadt festgenommen, der von 2004 bis 2007 auch dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vorstand und zuvor auch Vizeministerpräsident der konservativen Regierung unter José María Aznar in Spanien war. Rato verließ den IWF aus "persönlichen Gründen", doch später wurde klar, dass man ihm dort nicht verziehen hat, die aufziehende Finanzkrise völlig verschlafen zu haben.

Nun wird er auch unter anderem wegen Geldwäsche, Betrug und betrügerischer Vermögensverschiebung beschuldigt, weshalb seine Wohnung und Büro durchsucht wurden. Die Durchsuchungen wurden auch am heutigen Freitag fortgesetzt. Bei den Millionen, die im Rahmen der Steueramnestie aus Steuerparadiesen straffrei nach Spanien gebracht wurden, handelte es sich offenbar nicht nur um hinterzogene Steuern. Denn Steuerbetrüger wurden nicht nur mit Straffreiheit belohnt, sondern mussten mit einer Abgeltungssteuer von höchstens 10% sogar weniger bezahlen als ehrliche Steuerzahler. Bei Rato handelte sich also offenbar um Geld, das auch aus illegal Geschäften stammt, das deshalb nicht unter die Amnestie fällt.

Es ist schon das vierte Verfahren gegen den in den USA ausgebildeten Wirtschaftswissenschaftler. Während Vater und Bruder einst die kleinen Banken "Siero" und "Murciano" ruinierten, hat Rato die Großbank "Bankia" auf dem Gewissen. Er übernahm 2010 die Führung der großen Sparkasse "Caja Madrid", die danach mit anderen Sparkassen zur Großbank fusionierte. Allein mit 22,5 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm, unter den Spanien wegen der Misswirtschaft Ratos schlüpfen musste, wurde Bankia nach seinem Rücktritt 2012 verstaatlicht Rato, Vater von drei Kindern, wird dafür auch wegen Bilanzfälschung angeklagt, weil ein Loch von 19 Milliarden Euro in den Bilanzen auftauchte.

Falsch waren zudem Daten zum Börsengang 2011, weshalb ihm auch Betrug, Veruntreuung, Kontenfälschung und Preismanipulation vorgeworfen wird. Zudem wurden zehntausende Kleinsparer betrogen, wie dies in zahllosen Urteilen mittlerweile von Gerichten bestätigt worden ist. Ein weiteres Verfahren läuft auch gegen Rato, weil seine Absturzbank zum "Selbstbedienungsladen" wurde. 84 Führungs- und Aufsichtsratsmitglieder hatten Kreditkarten, mit denen sie steuerfrei und unkontrolliert bezahlen oder Geld abheben konnten. Nachsichtigkeit wurde so angesichts der Misswirtschaft erkauft.

Lange wurde Rato von seiner rechten Volkspartei (PP) gestützt. Sein Freund und Wirtschaftsminister Luis de Guindos, einst sein Staatssekretär, gab zu, ihn vor den Ermittlungen im Karten-Skandal informiert zu haben. Guindos, der Eurogruppenchef werden soll, forderte den "besten Finanzminister Spaniens" auf, das Geld zurückzuzahlen. Denn er wollte offenbar seinem Freund und Kollegen eine weitere Strafverfolgung ersparen. Ihm dürfte klar gewesen sein, dass ein neuer Skandal auch seine Ambitionen, vom Bock zum Gärtner in Europa zu werden, nicht gerade positiv beeinflussen dürften.

Erst jetzt im Superwahljahr, nach dem Desaster für die Regierungspartei bei den Wahlen in Andalusien, distanziert sich die PP von ihrem einstigen Superminister. Glauben muss man das aber nicht. Auffällig ist, dass Rato trotz der vielen Anklagen und Anschuldigungen erneut nicht in Untersuchungshaft genommen wurde, obwohl er ganz offensichtlich sogar gerade dabei war, Spuren zu verwischen. Und das lässt vermuten, dass die Regierung ihn weiter schützt. Denn er weiß viel über die Korruptionsskandale der Regierungspartei. Nach Angaben ihres ehemaligen Schatzmeisters Bárcenas finanzierte sich die PP darüber mindestens 18 Jahre illegal.