Wo ist das Geld?

Nach den Aussagen des RWE-Vorstandschefs scheint es keine Rücklagen für den Abriss der AKW zu geben

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Schon vor vier Jahren hatte der Bundesrechnungshof von Energiekonzernen und Behörden mehr Transparenz bei den Rückstellungen für den Abriss der alten Atomkraftwerke und die sichere Verwahrung der strahlenden Abfälle gefordert. AKW-Betreiber sind rechtlich dazu verpflichtet, bei Zeiten genug Geld zur Seite zu legen. Es fehlten aber die notwendigen Auskunftsrechte, um die technischen Unterlagen bei den Betreibern einzusehen, zitierte im April 2011 die Zeit die obersten Rechnungsprüfer der Republik.

Nun tauchen Zweifel auf, ob RWE seiner Pflicht nachgekommen ist. Deren Vorstandschef Peter Terium meinte kürzlich gegenüber n-tv, die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel geplante Abgabe auf besonders CO2-intensive und ineffiziente Kraftwerke würde "die Altersversorgung der Mitarbeiter und die Rückabwicklung der Kernkraftwerke" bedrohen. (Hier das Interview.) Hat der Konzern also gar keine Rückstellungen gebildet?

Denkbar ist natürlich, dass Terium nur mal eben ordentlich auf die Propagandapauke hauen wollte, darauf vertrauend, dass brave Journalisten sowieso nicht nachbohren. Dennoch wirft das einmal mehr die Frage auf, was aus den Rückstellungen und der Abwicklung des Atomzeitalters wird, wenn E.on und RWE ihre konventionellen Geschäfte wie geplant durch Unternehmensaufspaltung in eine Art Bad-Bank auslagern. Zumal beim gegenwärtigen Überangebot an Strom mit den fossilen Kraftwerken kaum noch Gewinn zu machen ist.

Jochen Stay von der Anti-Atom-Kampagne .ausgestrahlt sieht daher "dringenden Handlungsbedarf".

Die Stromkonzerne müssen die Gelder, die in ihren Büchern für AKW-Abriss und Atommüll-Lagerung stehen, endlich in einen öffentlich-rechtlichen Fonds abgeben. Sie müssen sogar noch deutlich mehr zahlen: Die Regierung sollte nachrechnen, wie teuer die Sache wirklich wird, etwaige Kostensteigerungen eingerechnet. Und wenn RWE nicht zahlen kann, dann müssen eben Unternehmensteile verkauft werden. Wer Milliarden mit Atomkraft verdient hat, muss auch zahlen, wenn das dicke Ende kommt.
Jochen Stay, .ausgestrahlt

Das Fachblatt Sonne Wind Wärme hält derweil Teriums Äußerungen für einen Erpressungsversuch. Die Nachricht laute: "Ohne Braunkohle darf der Steuerzahler den AKW-Rückbau bezahlen." Perfider geht es eigentlich kaum noch, und ein derartiges Vorgehen kann eigentlich in einer demokratischen Verfassung nur ein Grund mehr sein, endlich Artikel 14 (2) und (3) Grundgesetz gegenüber RWE zur Anwendung zu bringen.

Gelegentlich wird RWE-Kritikern entgegen gehalten, dass der Konzern sich ja in öffentlicher Hand befinde und die Eigentümer insbesondere die Ruhrgebiets-Städte seien. Ein Blick auf die Aktionärsstruktur zeigt, dass dies Argument nur bedingt trägt. 16 Prozent des Aktienkapitals ist derzeit in Privatbesitz, 84 Prozent in der Hand institutioneller Investoren, wovon 30 Prozent aus Deutschland sind.

Die RWEB GmbH, die einen Großteil der kommunalen Anteile bündelt, ist zwar größter Einzelaktionär, kontrolliert aber derzeit nur 15 Prozent des Kapitals. Tendenz übrigens zurückgehend, vermutlich, weil Städte, die es sich leisten können, bereits mit dem Rückzug begonnen haben. Die restlichen Aktien gehören überwiegend In- und ausländischen Pensions- und Investmentfonds, Banken, Versicherungen und Gebietskörperschaften. RWE spricht davon, dass der US-Vermögensverwalter BlackRock mit fünf Prozent die größte RWE-Position außerhalb Deutschlands hält.

Für die betroffenen Kommunen ist der drastische Rückgang des Börsenkurses und die schrumpfende Dividende natürlich auf jeden Fall ein Problem. Zumal sie wegen der in der Region seit den 1970er Jahren anhaltenden wirtschaftlichen Dauerkrise ohnehin klamm sind. Schon vor zwei Jahren schrieb die Westfälische Allgemeine Zeitung, "Ruhrgebietsstädte haben ein teures Problem". Die RWE-Anteile würden noch mit 78 Euro in den Büchern mancher Kommune geführt, ein Wert, der zuletzt 2008 erreicht wurde. In den letzten Jahren pendelte dieser eher um die 30 Euro pro Aktie und aktuell liegt er bei 22,45 Euro.

Insgesamt ist der Schaden, der den Kommunen droht, aber überschaubar und könnte vom Bund leicht ausgeglichen werden, wenn der politische Wille dafür vorhanden sein sollte. Die Zeitung schrieb seinerzeit von einem Buchwert von 2,9 Milliarden Euro und einem Abschreibungsbedarf von rund 1,9 Milliarden Euro. Das hört sich nicht nach einem unüberwindlichen Hindernis für die Abwicklung eines Konzerns an, der seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommen will.