Britische Polizei ersucht alle zwei Minuten um gespeicherte Vorratsdaten

Zwischen 2012 und 2014 haben britische Strafvermittler 733.237 Anfragen nach bei Providern gespeicherte Vorratsdaten gestellt. Abgelehnt wurden nur 4 Prozent. Die Regierung plant weitere Vorschriften, etwa Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation.

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Britische Polizei ersucht alle zwei Minuten Vorratsdaten
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Britische Ermittler haben zwischen Anfang 2012 und Ende 2014 733.237 Anfragen an Telekommunikationsfirmen, um an dort abgespeicherte Metadaten zu gelangen. Die Bürgerrechtsorganisation Big Brother Watch hat für eine Studie errechnet, dass die Behörden 670 Ersuchen täglich stellen, 28 pro Stunde oder alle zwei Minuten eine. 96 Prozent der Anfragen werde polizeiintern stattgegeben.

Die Bürgerrechtler haben die Zahlen anhand von Auskunftsbegehren bei allen lokalen Strafverfolgungsbehörden nach dem britischen Informationsfreiheitsgesetz erlangt. Von den 37 Ämtern, die den Gesuchen nachkamen, wollten 26 im Untersuchungszeitraum häufiger Verbindungs- und Standortdaten abfragen. Nur bei elf ging die Zahl der Ersuche zurück. Auf Platz eins liegt die London Metropolitan Police mit 177.287 Anfragen, auf 99.444 kam die West Midlands Police, die schottische Polizei belegt den dritten Rang mit 62.075 Zugriffswünschen.

Vorratsdatenspeicherung

Zum Vergleich: 2009, als auch hierzulande noch Daten vorrätig gespeichert wurden, bearbeitete die Deutsche Telekom 12.891 Auskunftsersuchen der Strafverfolger im Fest- und 19.466 im Mobilfunknetz.

Die teils weit auseinanderlaufenden Zahlen in Großbritannien erklären sich die Beobachter damit, dass einzelne Behörden Ersuche unterschiedlich interpretieren und rechtfertigen. Generell sei nicht nachvollziehbar, dass die Strafverfolger zurückhaltender auf die Datenberge zugriffen, wie dies von politischer Seite oft beteuert werde.

Die Behörden sollten von sich aus Transparenzberichte herausgeben, fordert Big Brother Watch. Die Bürgerrechtler wollen auch nachgewiesen bekommen, dass zumindest über sechs Monate alte Telekommunikationsdaten für die Ermittler überhaupt wertvoll sind. Für den Zugang zu den Informationen müssten standardisierte Verfahren eingeführt, "Kommunikationsdaten" klarer definiert und Ersuche richterlich genehmigt werden.

Voriges Jahr hatte die konservativ-liberale britische Koalition unter Premierminister David Cameron ein Notstandsgesetz verabschiedet, um an der Vorratsdatenspeicherung nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen die EU-Vorgaben festzuhalten und die zu erfassenden Informationskategorien auszudehnen. Der konservative Regierungschef bekundete bereits Anfang des Jahres, diese Bestimmung dauerhaft festschreiben und zugleich gegen Verschlüsselung vorgehen zu wollen. Nach den Neuwahlen kündigte Königin Elisabeth II in ihrer traditionellen Rede vorige Woche ein Gesetz an, das Kritiker als "Snooper's Charter" bezeichnen.

Unter der Vorgängerregierung war ein Communications Data Bill am Widerstand der Liberalen gescheitert. Es sah vor, dass Apple, Google oder Whatsapp Polizeien und Geheimdiensten Zugriff auf den Klartext bei verschlüsselter Kommunikation geben müssten.

Mittlerweile muss Cameron die Bedenken der Liberalen nicht mehr berücksichtigen. Einzelheiten will die britische Regierung kommende Woche bekannt geben. Schon vorab prophezeit der britische Krypto-Anbieter Eris einen "Massenexodus von IT-Firmen und Finanzdienstleistern aus dem Vereinigten Königreich", sollte der geplante Gesetzentwurf verabschiedet werden. (anw)