Schwierige Regierungsbildungen in Spanien

Das Ende des Zweiparteiensystems bringt neue Spieler und Bündnisse mit sich

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Heute wird, fast drei Monate nach den vorgezogenen Neuwahlen, die bevölkerungsreichste spanische Region am Nachmittag eine neue Regierung erhalten. So etwas ist neu in Spanien, wo die beiden großen Parteien meist regieren konnten, aber das Zweiparteiensystem wurde nun definitiv beendet. Erst nach langen Verhandlungen und mit Hilfe der neuen Partei "Ciudadanos" (Bürger) wird die sozialdemokratische Regionalfürstin Susana Díaz nun erneut Präsidentin der großen südspanischen Region, sonst hätte sie demnächst erneut Neuwahlen ansetzen müssen.

Statt auf die Vereinte Linke (IU) stützen sich die Sozialisten (PSOE) nun auf die neoliberale Rechte, die versucht, sich als Partei der Mitte darzustellen. Und das ist von der PSOE eigentlich nur konsequent. Sie hat an der spanischen Regierung bis 2011 mit der Austeritäts- und Bankenrettungspolitik begonnen. Die verschärfte Gangart der rechten Volkspartei (PP) unter der Troika-Aufsicht wurde lange Zeit ebenfalls gestützt.

Díaz ließ ihr Bündnis mit der IU platzen, als die auf Umsetzung des Koalitionsvertrags pochte. Sie setzte auch eilig vorgezogene Neuwahlen im März angesichts der ausstrebenden Empörten-Partei "Podemos" (Wir können es) an, die sich im Aufbau befand und kalt erwischt werden sollte. Ihr Kalkül, künftig allein regieren zu können, ging aber nicht auf. Die PSOE erhielt mit gut 35% ihr bisheriges schlechtestes Ergebnis in der einstigen Hochburg, wo sie lange über absoluten Mehrheiten verfügte.

Aber auch die IU wurde abgestraft, weil sie gegen die PSOE kaum Erfolge verweisen konnte. Dafür kam die linke Empörten-Partei "Podemos" (Wir können es) auf 15%, deren Erfolg wurde auch in Andalusien von der neuen unbekannten Ciudadanos begrenzt. Vom klaren Linksruck und vom Votum gegen die Kürzungs- und Sparpolitik nahm die Regionalfürstin Díaz aber keine Notiz. Sie warf Podemos nach Angabe von Teresa Rodríguez "mitten im Dialog die Tür vor der Nase zu". Die Podemos-Spitzenkandidatin meint, man habe keine "Unmöglichkeiten" verlangt. Doch weil die Empörten die Parlamente von "Mafia-Strukturen säubern" wollen wurde eine klare Haltung gegen Korruption gefordert. Podemos wollte auch durchsetzen, dass künftig nicht mehr mit Banken kooperiert wird, die Familien aus ihren Wohnungen werfen, die ihre Hypotheken oder Miete wegen einer Arbeitslosigkeit von 34% in Andalusien nicht bezahlen können.

Die Sozialistin wird nun also von einer Partei gestützt, auf deren Listen im Mai viele Rechtsradikale kandidierten, die Flüchtlingen die Gesundheitsversorgung vorenthalten und wenig sozial auch den verringerten Mehrwertsteuersatz abschaffen will. Güter der Grundversorgung würden sich damit deutlich verteuern. Das war vielen Wählern genauso unbekannt wie vielen Kandidaten, die nach Programm-Lektüre absprangen.

Die Fassade einer "Anti-Korruptionspartei" bröckelt ebenfalls bei den Ciudadanos schnell ab. Dass angeklagte Regionalpräsidenten Andalusiens und Vorgänger von Díaz ihre Ämter für eine Unterstützung aufgeben sollen, ließen sie schnell fallen. Manuel Chaves und José Antonio Griñán sind in den Missbrauch von Subventionen für Fortbildung von Arbeitslosen im Umfang von etwa einer Milliarde Euro verstrickt. Und in einen massiven Skandal ist sogar die Regierung unter Díaz ganz allein verantwortlich, der gerade von der Justiz ermittelt wird.

Angebliche Anti-Korruptionspartei Ciudadanos verhilft in Madrid in Korruption vertickte PP zur Macht

Ciudadanos werden in Madrid dafür sorgen, dass die tief in Korruptionsskandale verstrickte rechte Volkspartei (PP) die Region auch nach gut zwei Jahrzehnten erneut weiterregieren kann, obwohl ein Wechsel möglich wäre. Wie fast überall verlor sie bei den Regional- und Kommunalwahlen im Mai auch im Madrider Regionalparlament die Mehrheit. Parteichef Albert Rivera, gegen alle Beteuerungen einst selbst PP-Mitglied, hat dafür praktisch grünes Licht gegeben. () Die PP habe die gleichen Bedingungen wie die PSOE in Andalusien akzeptiert, bestätigte Rivera am Mittwoch.

Die Ciudadanos stützen also ausgerechnet die Regierungen, die tief im Korruptionssumpf stecken. Rivera führt an, dass sich beide nun schriftlich verpflichtet hätten, gegen Korruption vorzugehen. Als hätte das zum Beispiel in einer Partei wie der PP eine Bedeutung, die sich über Korruption mindestens 20 Jahre illegal finanziert hat. Sogar deren Führungsmitglieder müssen sich vor Gericht verantworten und manchmal gesiebte Luft atmen, wie der Vize-Ministerpräsident und Ex-IWF-Chef Rodrigo Rato. Doch das Kalkül vom Ciudadanos-Chef ist klar. Er bietet sich beiden großen Parteien vor den Parlamentswahlen im Herbst an, um einen von Podemos versprochenen realen Wandel zu verhindern.

Den wird es aber in Ansätzen nun schon in einigen Regionen und Städten wie in Madrid und Barcelona geben. Deren Bürgermeister werden zukünftig von linken Bürgerkandidaturen gestellt. Und auch in der der Region Navarra wird ein linksnationalistisches Bündnis die lokale PP-Schwesterpartei UPN ablösen, die trotz ihrer Skandale bisher von der PSOE gestützt wurde. Während erstmals die moderate baskische Koalition "Geroa Bai" (Ja zur Zukunft) mit Uxue Barkos der Regionalregierung vorstehen wird, stellt die linke Unabhängigkeitsbewegung mit "EH Bildu" (Baskenland vereinen) mit Joseba Asiron erstmals den Bürgermeister der Großstadt Pamplona.

Schwierig ist die Lage in der PP-Korruptions- und Pleitehochburg Valencia. Die PP wurde auch dort abgestraft, dafür wurde die linksnationalistische "Compromis" stark. Anfänglich gute Gespräche scheiterten nun daran, dass die PSOE der Regionalregierung vorstehen will. Das wollen Podemos und Compromis aber nicht, um zu einem wirklichen Wandel in der Region zu kommen. Dass die Sozialdemokraten nun sogar von der PP gestützt an die Regierung kommen wollen, bestätigt deren Befürchtungen.

Gespannt wird auch auf Aragon geschaut, wo das Podemos-Führungsmitglied einen Anspruch auf die Präsidentschaft und den Wandel erhebt, obwohl die PSOE ähnlich wie in Valencia mehr Stimmen erhalten hat, deren Abgeordnete für den Wechsel aber gebraucht werden. Wo die PSOE, wie in Asturien oder der Extremadura klar stärkste Partei wurde, will Podemos sie, wie auch in Kastilien-La Mancha stützen, um den Konservativen dort die Macht zu nehmen.