Atomkraft: Da waren es nur noch acht

Heute geht das AKW Grafenrheinfeld vom Netz. Umweltschützern geht der Ausstieg zu langsam

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In der Nacht von Samstag auf Sonntag wird in der Nähe vom fränkischen Schweinfurt das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld des Betreibers E.on stillgelegt, nach dem es seine im Atomgesetz definierte Reststrommenge ins Netz eingespeist hat. Das Kraftwerk hatte im Juni 1982, auf dem Höhepunkt der westdeutschen Anti-AKW-Bewegung, den kommerziellen Betrieb aufgenommen. Letztmöglicher Termin für das Abschalten wäre der 31. Dezember 2015 gewesen.

Eine nach der Reaktor-Katastrophe von Fukushima unter massivem Druck der Öffentlichkeit verabschiedete Novelle des Atomgesetzes hatte die Tabelle der zu Beginn des Jahrtausends ausgehandelten Reststrommengen wieder in Kraft gesetzt und zugleich Höchstlaufzeiten definiert. Nach den acht Stilllegungen von 2011 ist Grafenrheinfeld (1275 Megawatt Nettoleistung) der erste weitere Reaktor, der vom Netz geht. Die verbliebenen acht werden 2017 (Gundremmingen B), 2019 (Philippsburg 2), 2021 (Grohnde, Gundremmingen C, Brokdorf) sowie 2022 (Isar 2, Emsland und Neckarwestheim) folgen.

Bei Greenpeace erinnert man aus gegebenen Anlass an den im Norden Bayerns produzierten Atommüll. 950 Tonnen hochradioaktiven Atommülls gingen auf das Konto des nunmehr außer Betrieb genommenen Meilers. Der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer wird aufgefordert dafür die Verantwortung zu übernehmen.

Die Abschaltung von Grafenrheinfeld ist ein großer Erfolg für die Anti-Atom-Bewegung und ein Meilenstein für die Energiewende. Bei aller Freude darf aber nicht vergessen werden, dass die Atomindustrie ein tödliches nukleares Erbe hinterlässt, das für die nächsten Hunderttausende von Jahren sicher verwahrt werden muss.
Tobias Riedl, Greenpeace

Olav Hohmeyer von der Uni Flensburg hatte 2011 vorgerechnet, dass ein Ausstieg aus der Atomkraftnutzung schon bis 2017 möglich wäre, ohne dass von den Klimaschutzzielen Abstand genommen werden müsste. Auch ein Netzausbau sei dafür zunächst nicht nötig. Telepolis hatte seinerzeit über eine entsprechende Studie aus Flensburg berichtet.

Zwischenzeitlich ist allerdings der Ausbau der Windenergie und zweitweise auch der Solarenergie rascher als gedacht vonstatten gegangen. Daher gibt es inzwischen auch Stimmen, die davon ausgehen, dass sofort auf die restlichen AKW verzichtet werden kann. Die Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt hat beim Beratungsunternehmen Arepo Consult eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass die verbliebenen acht AKW für die Versorgungssicherheit überflüssig sind.

Zudem wäre es für die Energiewende eher vorteilhaft, wenn die verbliebenen acht Meiler sofort vom Netz gehen. Gaskraftwerke würden erheblich profitieren und diese sind in einer mehrere Jahrzehnte umfassenden Übergangszeit wegen ihrer hohen Flexibilität sehr wichtig als Gegenstück zu Wind und Sonne. Zur Zeit können sie jedoch nicht rentabel produzieren, so dass von den rund 28 Gigawatt (GW) Gasleistung in den vergangenen Jahren nie mehr als knapp die Hälfte ausgelastet war. Zum Vergleich: Die letzten acht AKW haben eine Nettoleistung von rund zehn GW.

In den vergangenen vier Jahren ging kein einziges AKW vom Netz. In den vier Jahren nach der Abschaltung von Grafenrheinfeld soll nur ein Meiler stillgelegt werden. Das hat mit "Atomausstieg" nichts zu tun und bremst die Energiewende aus. Es ist daher höchste Zeit, die politischen und ökonomischen Weichen für ein schnelleres Abschalten der AKW zu stellen –am besten noch 2015.
Jochen Stay, .ausgestrahlt