Bizarre Dialoge in Brüssel um die Griechenlandfrage...

...und In Athen Unverständnis über den Maßnahmenkatalog der Kreditgeber

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Bei den Gesprächen zur Lösung der aktuellen Eurokrise gab es erneut einen Aufschub. Für Samstag ist ein neues Treffen der Eurogruppe in Brüssel angesetzt. Die griechischen Medienkonsumenten erfahren, dass es nun noch ein drittes Arbeitspapier von Yanis Varoufakis gäbe. Sie lesen aber auch, dass ihnen Kapitalverkehrskontrollen bevorstehen und dass die EU über Möglichkeiten der Isolation Griechenlands zur Verhinderung eines Dominoeffekts diskutiert.

In Griechenland herrscht Unverständnis darüber, dass die Gläubiger die Besteuerung von elektronischen Glücksspielautomaten strikt ablehnen. Sie beharren vielmehr auf Rentenkürzungen. Der über viele griechische Medien in seiner Originalform, auf Englisch, einsehbare Maßnahmenkatalog weist Tsipras zudem an, den Unternehmern bei einem Reingewinn von über 500.000 Euro keine Solidaritätsabgabe abzuknöpfen. Es ist teilweise müßig, die sich oft ändernden, aber in ihrer Tendenz immer schärferen Vorschläge der Kreditgeber einzeln zu analysieren.

Wie beurteilen die Parteien die Lage?

Symptomatisch ist jedoch, dass der Ausschussleiter für Arbeit und Soziales der Fraktion der Nea Dimokratia, Vasilis Oikonomou, seinem Parteichef, dem Ex-Premier Antonis Samaras empfiehlt die Vorschlagsliste im Parlament durchfallen zu lassen, falls Premierminister Alexis Tsipras ihr zustimmen sollte.

Oikonomou findet die Maßnahmen also nicht tragbar, flirtet jedoch auch mit dem Gedanken, Tsipras über eine Verweigerung zum Sturz zu bringen. Denn bereits jetzt ist sicher, dass sich zahlreiche SYRIZA-Abgeordnete einem derartigen Katalog verweigern werden. Ziel der Getreuen, die Antonis Samaras in der Fraktion der Nea Dimokratia noch verblieben sind, ist es, Tsipras zu einer Mehrparteienkoalition unter Beteiligung der Nea Dimokratia zu zwingen.

Andere Strömungen in der Nea Dimokratia möchten dagegen eine mögliche Einigung stützen, damit Griechenland in jedem Fall im Euro bleibt. Mit der gleichen Argumentation beteuert Stavros Theodorakis, dass er jeden Kompromiss stützen werde. Die neue PASOK-Vorsitzende Fofi Gennimata findet hingegen, dass die Kreditgeber mit ihren Forderungen zu weit gingen, und das Land nicht erpressen sollten. Samaras, Theodorakis und Gennimata weilten in diesen Tagen ebenfalls in Brüssel.

Theodorakis dinierte sogar mit vier Staats- und Regierungschefs und weiteren liberalen Politikern. Guy Verhofstadt, der Vorsitzende der liberalen Fraktion im Europaparlament nutzte dabei die Gelegenheit, Theodorakis als besonnenen und ernsthaften Politiker zu präsentieren. Theodorakis sieht die EU als einzige Möglichkeit für Europa, als Wirtschaftsmacht zu überleben.

Die Kommunisten hingegen sehen sich bestätigt. Sie verkünden seit dem Beitritt Griechenlands zur EU, dass diese Mitgliedschaft das Land, aber auch die europäische Arbeiterschaft ruinieren werde.

Die Dialoge des Abbruchs

Glaubt man dem Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, dann ist bereits jetzt das Spiel vorbei. "Game over" soll er zu Alexis Tsipras gesagt haben, berichten griechische Regierungskreise. Tsipras befand dagegen:

Griechenland hat 1,5 Millionen. Arbeitslose, drei Millionen Arme, Tausende von Familien haben kein Einkommen und leben nur mit der Rente der Großeltern. Dies ist kein Spiel

Er betonte auch gegenüber Tusk, "unterschätzen Sie nicht, wozu ein gedemütigtes Volk fähig ist". Hinsichtlich der Vorschläge der Kreditgeber diagnostizierte Tsipras, dass diese nichts weiter wären als die Neuauflage der bereits mehrfach gescheiterten Programme. Etwas resignierend klagte Tsipras, dass die Historiker der Zukunft klären müssten, warum es zu keiner Einigung komme.