Gipfel der Brics-Staaten: Der Süden schließt die Reihen

Die fünf führenden Schwellenstaaten wenden sich deutlich gegen das neoliberale Wirtschaftsmodell und streben eine neue Entwicklungspolitik an

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Die fünf führenden Schwellenländer haben auf dem siebten Gipfel der Brics-Allianz in der südwestrussischen Industriemetropole Ufa historische Vereinbarungen geschlossen, um der Weltwirtschaftskrise entgegenzutreten. Zugleich wandten sich Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika in erstaunlich klaren Worten gegen die neoliberale Ordnung, die von den industriellen Zentren, vor allem der Europäischen Union und den USA, verteidigt wird.

Eine neue Entwicklungsbank der Brics-Staaten mit einem Startkapital von 100 Milliarden US-Dollar soll den wirtschaftlichen Aufstieg der Mitgliedsländer und der Staaten des Südens generell absichern. Die Brics-Mitglieder wollen sich zudem unabhängiger von den bislang dominierenden Finanzinstitutionen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds machen. Explizit verwiesen Vertreter der in Ufa anwesenden Staaten und Medien des Südens in diesem Zusammenhang auf die restriktive Politik der Troika gegenüber Griechenland.

Die Brics-Staaten repräsentieren knapp ein Fünftel der weltweiten Wirtschaftsleistung und 40 Prozent der Weltbevölkerung. Zum Vergleich: In den G-7-Staaten leben elf Prozent der Weltbevölkerung bei einem Anteil an der globalen Ökonomie von derzeit 33 Prozent. Dennoch spielt der Gipfel in Ufa in hiesigen Medien kaum eine Rolle.

Bruch zwischen den aufstrebenden und den alten Industriestaaten?

Nur wenige Wochen nach dem G-7-Gipfel in Bayern nutzte Russlands Präsident und Gastgeber Wladimir Putin das Forum, um Alternativen zur Macht der führenden Industriestaaten zu fordern. Die Brics-Staaten hätten bei dem bis zum Freitag dieser Woche andauernden Treffen eine engere Kooperation bei Investition, Handel und Energiefragen beschlossen, so Putin. Die Abschlusserklärung ließ indes keine Zweifel an der neuen Frontstellung zu den Industrienationen: "Wir können nicht zulassen, dass die Maßnahmen einer restriktiven Wirtschaftsführung, die zum Scheitern in Europa und den USA geführt haben, nun als Wege aus der Krise präsentiert werden", heißt es in einem klaren Statement gegen die Austeritätspolitik.

Politische Beobachten sehen den siebten Brics-Gipfel daher schon als Beleg für den offenen Bruch zwischen den aufstrebenden Industriestaaten und den bisherigen industriellen Zentren. In Ufa sei das bisherige globale Wirtschaftsmodell zu Grabe getragen worden, meint etwa Sameer Dossani von der südafrikanischen Entwicklungsorganisation ActionAid Internatinal. Die in Ufa gegründete Neue Entwicklungsbank (New Development Bank, NDB) der Brics-Staaten sei mit einem Startkapital von 100 Milliarden US-Dollar darauf ausgerichtet, "die dringend benötigte Finanzierung für die Infrastruktur und den Energiesektor in Entwicklungsstaaten zu gewährleisten". Davon könnten vor allem afrikanische Staaten profitieren.

Dossani glaubt, dass die NDB Teil eines neuen Systems sein könnte, "sofern sie nicht dem ausbeuterischen Weg derjenigen folgt, die das bisherige Entwicklungsmodell dominiert haben". Dafür müsse das neue Finanzinstitut vor allem auf eine wirkliche wirtschaftliche Entwicklung setzen, statt auf den reinen Export von Rohstoffen aus den Staaten des Südens.

Auch Griechenland war ein wichtiges Thema

Natürlich stand in Ufa die Krise zwischen Griechenland und der Europäischen Union auf der Agenda. Zwar wiesen die Deutsche Presse-Agentur und andere europäische Medien explizit darauf hin, dass bei dem Brics-Gipfel keine Finanzhilfen beschlossen worden seien. Das war allerdings auch kaum zu erwarten, da die NDB erst in der Entstehung begriffen ist. "Griechenland hat uns bisher um nichts gebeten, also gab es auch nichts zu beraten", sagte Russlands Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew.

Jedoch stand das Thema Griechenland – neben dem Konflikt um die Ukraine und die Nato-Politik in Osteuropa – auf der politischen Agenda des Treffens. Bei einem Arbeitsessen hätten die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs ausführlich über die Lage in Europa beraten, hieß es aus Teilnehmerkreisen. "Für Griechenland wäre eine von der Troika unabhängige Entwicklungsbank derzeit ideal gewesen", stellte der lateinamerikanische Fernsehsender Telesur fest. Hinter den Kulissen liefen daher Gespräche über eine mögliche Kooperation zwischen der NDB und Athen.

Die aufstrebenden Industrienationen haben in Ufa also einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht. Vor allem Russland und China forcieren eine neue Geopolitik, die gegenüber der G7
Position ergreift und eine engere internationale Zusammenarbeit ohne die führenden Industrienationen unterstützt.

Telesur verweist in diesem Zusammenhang auf vier strategische Überlegungen der chinesischen Delegation: Ein gemeinsames politisches Vorgehen auf der internationalen Bühne; eine rasche Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Entwicklungsbank NDB; eine gemeinsame Politik gegenüber strategischen Vorhaben wie der neuen Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB); eine verstärkte Kooperation mit anderen regionalpolitischen Foren der Schwellen- und Entwicklungsstaaten wie der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit oder der Eurasischen Wirtschaftsunion.

Laut der Abschlusserklärung von Ufa sollen die Brics-Staaten zur "Struktur einer neuen globalen Steuerung" werden. Dieser Prozess, so sagte Chinas Präsident Xi Jingping, sei "unumkehrbar".