Podemos: Letzte Hoffnung für Tsipras?

In Südeuropa fallen die Reaktionen auf das Griechenland-Abkommen heftig aus: "Die größte Bedrohung Europas heute stellt Wolfgang Schäuble dar"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hofft, dass es in Südeuropa bald zu Veränderungen kommt und Formationen wie Syriza an die Macht kommen. Bei der erhofften Verschiebung der Kräfteverhältnisse und für einen politischen Wandel in Europa richtete er am späten Dienstag beim TV-Interview seinen Blick besonders auf Spanien. Denn die Hoffnung, dass "Podemos" (Wir können es) oder ein Bündnis wie "Ahora en Común" (Jetzt Gemeinsam) eine Chance auf einen Wahlsieg haben, brachte Tsipras offenbar dazu, den Rücktritt und/oder Neuwahlen (noch) nicht anzusetzen.

Und weil es gute Chancen in Spanien gäbe, "ist es in unserer Verantwortung, weiter zu regieren", erklärte Tsipras im Staatssender ERT. "Die Austeritätspolitik ist heute die einzige Realität, aber in der Zukunft wird das anders sein." Er fügte an: "Europa kann sich ändern, wenn Kräfte in Spanien an Kraft gewinnen, die Syriza ähnlich sind." Er hofft damit auf klare Unterstützung aus dem viertgrößten Euroland, denn mit ihm kann nicht so umgesprungen werden wie mit dem kleinen Griechenland. Erstaunlich ist, dass er nun von "Kräften" spricht, im Wahlkampf hatte er allein Podemos als Schwesterpartei bezeichnet und dem früheren Bündnispartner Vereinte Linke (IU) vor die Nase gestoßen.

Zwar ist unklar, ob das zusammenhängt, doch der Ton von Podemos gegenüber der IU und Ahora en Común hat sich sofort geändert. Sprach der Podemos-Chef gerade noch von einer "Erpressung" und lehnte ein Bündnis schroff ab, hört man nun neue Töne. Man spricht nun plötzlich von einer "Herausforderung". Behauptet wird auch nicht mehr, dass es ein von der IU inszeniertes Bündnis ist. Der Ton klingt versöhnlicher, vielleicht kehrt bei Podemos die Einsicht ein, dass das absurde Wahlgesetz die Formationen praktisch zwingt, gemeinsam anzutreten.

Ohnehin sind die Linksparteien auch in Portugal entsetzt, wo ebenfalls im Herbst gewählt wird, wie unverhohlen sich Ministerpräsident Mariano Rajoy und Pedro Passos Coelho gegen die eigenen Interessen auf die Seite der Bundesregierung geschlagen haben und nicht einmal französische Positionen unterstützt haben. Da Rajoy mit seiner Position an die Wand fuhr, Griechenland beim Nein rauszuwerfen oder nach einem Ja mit einer neuen Regierung verhandeln zu können, unterstützte er ein Abkommen, das eigentlich für Griechenland unannehmbar ist.

Aus innenpolitischen Gründen will er seine Politik als alternativlos darstellen und Podemos schaden. Deshalb sprach er vor dem Referendum von "Syriza-Podemos" und erklärte, es müsse ein Sieg der Linken verhindert werden, vor allem die "neuen Parteien der extremen Linken".

Erreicht hat er damit, dass ihm sogar die Sozialdemokraten (PSOE) seinen Kurs vorwerfen. Der PSOE-Chef spricht von einem "hohen Preis" für Spanien. Pedro Sánchez meint damit nicht die zehn Milliarden Euro, die Spanien beisteuern muss. Er meint damit, dass Wirtschaftsminister Luis de Guindos am Montag nicht Eurogruppenchef wurde, wie es mit Bundeskanzlerin Merkel abgestimmt war. Denn Griechenlands Stimme gab den Ausschlag, dass der Ex-Lehman Manager und Mitglied oder Sympathisant des Opus Dei nicht auch noch vom "Bock zum Gärtner" im Garten des Euro gewählt wird. Um das zu verhindern, hatte sich offenbar auch der Sozialdemokrat Jeroen Dijsselbloem ins Zeug gelegt und kandidierte erneut. Sánchez sprach von einer "schwarzen Woche" für Spanien, denn mit De Guindos sollte Spanien für eine verlorene Vizepräsidentschaft in der EU-Kommission und einen verlorenen Sitz im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) kompensiert werden.

"Volle Unterstützung für Griechenland und seine Regierung"


Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias verurteilte mit klaren Worten das Griechenland-Abkommen und das Verhalten Rajoys. "Gegen die Mafiosi, volle Unterstützung für Griechenland und seine Regierung", schrieb er auf Twitter unter dem Hashtag: "Es ist ein Staatsstreich". Er richtete sich gegen Regierungen wie in Spanien und Portugal, die ihr "Volk verraten". Ähnlich sieht es die Vereinte Linke (IU). Sie spricht davon, die Griechen würden für die "Kühnheit" bestraft, mit dem Referendum auf Demokratie gesetzt zu haben. IU-Chef Cayo Lara sieht darin eine "Botschaft" für den "europäischen Süden".

Dabei seien für die Lage die konservativen und sozialdemokratischen Vorgänger verantwortlich, verglich er die Lage in Spanien. Die Arbeitslosigkeit hier wird nur von der in Griechenland übertroffen und auch hier explodierte die Verschuldung wegen Bankenrettungen. Im Stil von Podemos sprach der designierte Nachfolger von Lara, Alberto Garzón, von einer "Erpressung" und von einer "Schlacht um Griechenland", bei der es für Europa insgesamt um die "soziale Ordnung" gehe. Er hofft, dass die Vorgänge sich positiv auf ein Zusammengehen mit Podemos in "Ahora en Común" (Jetzt Gemeinsam) auswirken, in der Iglesias bisher nicht mitmachen will.

Deutlich fielen auch Bewertungen in Portugal aus. "Die größte Bedrohung Europas heute sind weder Putin noch islamischer Fundamentalismus, weder die USA noch China, weder Euroskeptiker noch Populisten", schreibt der Europaparlamentarier Rui Tavares in der großen Tageszeitung Público. "Die größte Bedrohung Europas heute stellt Wolfgang Schäuble dar, der deutsche Finanzminister", schreibt das Ex-Mitglied des Linksblocks, der 2013 die linksgrüne "Livre" (Frei) gründete. "Herr Anti-Europa" wisse genau, dass man in der EU nicht im Recht sein müsse. "Es reicht, Finanzminister des reichsten EU-Landes EU zu sein."

Tavares wirft seiner Regierung eine "historische Unverantwortlichkeit" vor, deutsche Positionen gestützt zu haben und fordert "eine Lösung, die Griechenland leben lässt". Ähnlich sehen die Vorgänge auch der Linksblock, die wie Kommunisten und Agir (Handeln) ebenfalls von Erpressung () sprechen und Deutschland für das Vorgehen verantwortlich machen.

In Portugal ist die Lage derzeit ziemlich verworren. Eigentlich hatte die Empörten-Bewegung "Juntos Podemos" (Gemeinsam können wir es) gegründet, um als Schwesterpartei von Podemos auch die Lage in Portugal fundamental zu verändern. Doch etliche Gründungsmitglieder haben die Partei schnell nach deren "feindlicher Übernahme" durch die trotzkistische MAS wieder verlassen und Agir gegründet.

In Portugal ist auch die Wendung des sozialistischen Oppositionsführers interessant. Angesichts der aufstrebenden Kommunisten, Livre und der Angst vor der Empörten-Bewegung hatte Antonio Costa die Sozialisten aufAnti-Austeritätskurs geführt. So war es logisch, dass er zunächst vor dem Referendum eine Lanze für die Syriza gebrochen und sich für "Allianzen und Blöcke" ausgesprochen hatte. Davon will Costa nun nichts mehr wissen und lobt mit der europäischen Sozialdemokratie plötzlich das Abkommen, weil es Griechenland angeblich im Euro halte.