Gezerre um die Anwälte im NSU-Prozess

Es ist unklar, ob es sich um ein echtes Zerwürfnis zwischen Beate Zschäpe und ihren Pflichtverteidigern handelt oder um Theater. Aber es hat die Berichterstattung über den NSU-Prozess verändert

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Der NSU-Prozess machte in den letzten Tagen immer wieder Schlagzeilen. Doch ging es zuletzt nur noch um die Frage, ob die Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe entlassen werden oder bleiben müssen. Am Montag hatten die drei langjährigen Pflichtverteidiger Beate Zschäpes Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm am Montag vergeblich ihre Selbstentlassung beantragt. Das Gericht wies den Antrag als zu pauschal ab.

Die Anwälte hatten erklärt, sie könnten wegen der Schweigepflicht die Gründe für ihr Begehren nicht angeben. Damit hatten sie eigentlich die Ablehnung schon provoziert. Einen Tag später hat nun Zschäpe die Entpflichtung ihres Anwalts Wolfgang Heer beantragt. Dies gab der Jurist selbst vor dem Oberlandesgericht München bekannt. Noch hat das Gericht über diesem Antrag nicht entschieden. Die Chancen könnten größer sein. Schließlich würde durch die Auswechslung eines Verteidigers, die auch von den Nebenklägern der NSU-Opfer gefürchteten Neuauflage des Prozesses vermieden werden.

Wie zerrüttet ist das Verhältnis zwischen Zschäpe und den Anwälten wirklich?

Aber selbst, wenn es mal nicht um die Abberufung der Anwälte geht, muss sich das Gericht im NSU-Verfahren mit den Verhältnissen zwischen Zschäpe und ihren Advokaten beschäftigten. Dieses Mal ging es um die Sitzordnung. Die Angeklagte konnte sich damit durchsetzen, dass sie gemeinsam mit ihren Wahlverteidiger Grasel auf der linken Seite der Anklagebank sitzen darf. Die verstoßenen Pflichtverteidiger sollen also von der Angeklagten wegrücken.

Es ist unklar, ob es sich hierbei um ein echtes Zerwürfnis oder nur ein großes Theaterspiel handelt. Schließlich sorgt es schon heute dafür, dass sich die Berichterstattung über den NSU-Prozess verändert. Nicht mehr die Verbrechen des rechten Untergrunds und die Frage der möglichen Verstrickung von V-Leuten stehen mehr im Mittelpunkt des Interesses. Es wird nicht mehr in erster Line darüber diskutiert, ob der NSU mehr als drei Personen umfasste, sondern um die Sitzordnung zwischen Hauptangeklagter und ihren ungeliebten Anwälten.

Die Pflichtverteidiger der Opfer des NSU-Terrors haben diese Perspektivverschiebung zum NSU-Prozess mit Recht mehrmals scharf kritisiert und auch darauf hingewiesen, dass damit große Belastungen für die Opfer verbunden sind. Sie hatten schließlich in den Prozess große Hoffnungen gesetzt, dass er Aufklärung über die vielen noch ungeklärten Fragen im Zusammenhang mit dem NSU-Terror liefern könnte.

Dazu gehört in erster Linie die Frage, wie die Opfer ausgewählt wurden und wer am Auskundschaften der Orte beteiligt war. Bisher haben die meisten Opferanwälte auch die Anträge auf Ablösung der Pflichtverteidiger abgelehnt, weil sie darin vor allem den Versuch sehen, das Verfahren zu unterbrechen und womöglich ganz neu aufrollen zu lassen. Doch ist es fraglich, ob diese Taktik Erfolg hat.

Wäre es nicht viel sinnvoller, die Ablösung der Anwälte zu tolerieren, und gleichzeitig den Druck auf Zschäpe zu erhöhen, endlich ihr Schweigen zu brechen? Schließlich hat sie bei ihrem ersten Versuch, sich ihrer Anwälte zu entledigen, auch erklärt, dass sie von ihren Pflichtverteidigern dazu gedrängt wurde, die Aussage zu verweigern. Dabei hat sie vage angekündigt, vielleicht sogar teilweise aussagen zu wollen.

Natürlich ist es wahrscheinlich, dass auch diese Erklärungen zur Inszenierung gehört. Doch dann könnte die beharrliche Weigerung des Gerichts, die Anwälte zu entlassen, auch als Hinweis verstanden werden, dass eine Aussage von Zschäpe gar nicht erwünscht ist.

Droht um eine Revision?

Warum nutzen die Anwälte der Nebenklage diese Widersprüche nicht stärker aus?

Zudem kann Zschäpe das Spiel um ihre Anwälte noch länge weitertreiben, wenn die Abberufung abgelehnt wird. Jeder neue Antrag kann dann als Zeichen der Zerrüttung des Verhältnisses zwischen Anwälten und Mandantin gedeutet werden. Sollte die Zerrüttung nachweisbar sein, kann auch das Gericht die Ablösung nicht mehr zurückweisen.

Die bisherige Ablehnung begründete das Gericht auch damit, dass die Zerrüttung nicht hinreichend nachgewiesen wurde. Zudem könnte eine höhere Instanz auch zu anderen Schlussfolgerungen kommen und eine Wiederaufnahme des Verfahrens durchsetzen. Dann würde genau das geschehen, was die Nebenklägeranwälte verhindern wollen: Das NSU-Verfahren würde als Serie von Pannen in die Geschichte eingehen und nicht als die Instanz, die über den NSU-Terror aufklärt und den Opfern und ihren Angehörigen Gerechtigkeit wiederfahren lässt.