Erfolgreiche Erholung in Spanien mit 5,2 Millionen (22,5%) Arbeitslosen?

In 1,7 Millionen Haushalten sind alle Mitglieder arbeitslos und erhalten meist keinerlei Unterstützung mehr

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Die gebeutelte konservative spanische Regierung braucht dringend Erfolgsmeldungen vor den Parlamentswahlen im Herbst und fatalen Ergebnissen der Volkspartei (PP) bei den Regionalwahlen im Mai, als sie in fast allen Regionen und vielen Städten die Macht verlor. So war es absehbar, dass Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) die Daten als "weiteres Zeichen für die wirtschaftliche Erholung" Spaniens einstuft.

Noch im ersten Quartal stieg die Arbeitslosenquote, obwohl zwar einige Stellen geschaffen wurden, aber die Zahl der Auswanderer steigt und die Zahl der aktiven Bevölkerung sank. Doch was geben die neuen Zahlen des Statistikinstituts (INE) zum zweiten Quartal her?

Demnach sind, trotz eines relativ starken Wachstums, noch immer fast 22,5% der Bevölkerung ohne Stelle. Das sind weiter fast 5,2 Millionen Menschen. Abgeschlagen in der EU und der Eurozone konkurriert Spanien dabei nur mit Griechenland, das eine noch höhere Quote ausweist, und beide Länder liegen mit 50% Jugendarbeitslosigkeit gleichauf.

Sogar der Krisennachbar Portugal kann auf eine deutlich bessere Quote mit 13,2% verweisen. Das Krisenland Zypern, an drittletzter Stelle, steht mit 16% auch deutlich besser da.

Schaut man sich die Daten genauer an, stellt man so einiges fest, das nicht auf eine Erholung hinweist. So konstatiert sogar die Wirtschaftszeitung El Economista, dass vor allem prekäre Stellen mit einem bald ablaufenden "Verfallsdatum" geschaffen wurden. Denn von 412.000 sind mehr als drei Viertel (307.000) nur befristet. Die hohe Zahl befristeter Verträge, welche die Konservativen mit dem Schleifen des Kündigungsschutzes angeblich abschaffen wollten, ist sogar um 9% gegenüber dem ersten Quartal gestiegen.

Viele der Beschäftigten sind dazu verdammt, nach dem Tourismussommer wieder das Arbeitsamt aufzusuchen. Mit 2,2 Millionen haben viele nur eine Teilzeitbeschäftigung, weil sie keinen Ganztagsjob finden. Das sind so viele wie nie zuvor. Die Zahl derer, die eine zweite Stelle haben, weil sie von einem Lohn nicht leben können, ist in den letzten vier Krisenjahren um fast 9% gestiegen.

Interessant ist auch, wenn man die Daten mit den offiziellen Daten des Arbeitsministeriums vergleicht, das zuletzt von nur 4,14 Millionen Arbeitslosen berichtete. Mehr als eine Million Arbeitslose werden von der Regierung nicht erfasst. Doch sogar dabei musste eingeräumt werden, dass nur noch 54% von ihnen noch Unterstützung erhalten. Real erhalten also mehr als die Hälfte der Arbeitslosen keinerlei Hilfe mehr. Viele Familien haben deshalb keinerlei Einkünfte mehr, weil in 1,7 Millionen Haushalten alle Mitglieder keinen Job haben.

Wie El Economista auch festgestellt hatte, verlieren pro Monat fast 400.000 Beitragszahler das Recht auf Unterstützung. Das bedeutet, dass für viele Familien das Gegenteil von Erholung zu spüren ist. Die zeigt sich nur für die Arbeitslosenkasse und damit für das Haushaltsdefizit des Landes. Da immer mehr Menschen durch alle Maschen des löchrigen Sozialnetzes fallen, sind die Ausgaben für Arbeitslosengeld in nur einem Jahr um fast 19% gesunken.

Insgesamt sind das fatale Zahlen und ohnehin muss man davon ausgehen, dass die Arbeitslosigkeit im Herbst wieder deutlich steigt. Deshalb darf nicht ausgeschlossen werden, dass Rajoy die Wahlen vorzieht und nicht erst im November wählen lässt, wenn die Zahlen wieder deutlich steigen. Denn Spanien erlebt erneut einen Rekord-Tourismussommer. Es profitiert weiter davon, dass viele Urlaubsländer ausfallen und zuletzt, wegen neuer Anschläge, auch Tunesien, das gerade wieder auf Erholungskurs war.

Schon im ersten Quartal waren 29,2 Millionen ausländische Touristen nach Spanien gereist, das waren noch einmal 4,2% mehr als im Vorjahr, gab das Tourismusministerium gerade bekannt. Besonders stark, wegen des von der Europäischen Zentralbank (EZB) heruntergeprügelten Euros, reisten Briten ins Land. Es waren 6,7 Millionen und damit 2,6% mehr als im Vorjahreszeitraum. Angesichts dieser Tatsache darf man sogar von einer sehr schwachen Erholung am Arbeitsmarkt sprechen und sie bleibt sie umso mehr, wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass auch extrem niedrige Zinsen und ein Ölpreis auf Rekordtief für zusätzlicheKonjunkturprogramme sorgen.