OLG Köln: Bundeswehr verteidigt Urteil

Künstler-Kompanie gewinnt Berufung im Urheberrechtsstreit

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Die Bundeswehr war gegen Veröffentlichungen von eigenen Berichten ins Feld gezogen, die nur für die Unterrichtung des Bundestags bestimmt waren. Dabei hatte sie sich auf die Geheimwaffe "Urheberrecht" berufen. Am Landgericht Köln gewannen die uniformierten Sprachkünstler ihr erstes Gefecht. Nunmehr liegen das Urteilsgründe des Berufungsurteils des Oberlandesgerichts Köln vor, wo die Truppe weiteren Geländegewinn für sich verbuchen kann.

Die Bundeswehr drang mit ihrem Vorbringen durch, sämtliche Urheberrechtskameraden stünden zu ihr in einem Dienstverhältnis und hätten die jeweilige Unterrichtungen des Parlaments in Erfüllung ihrer Dienstpflicht erstellt. Die streitigen Texte stellen dem Gericht zufolge urheberrechtsfähige Sprachwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG dar. Anders als bei reinen Tatsachenwiedergaben lasse sich eine persönliche geistige Schöpfung erkennen. Der Zeitungsverlag hatte erfoglos eingewandt, dass es sich bei dem sich immer wiederholenden, einfachen Aufbau der Texte nicht um eine „systematisch prägnante Gliederung“ oder gar ein „Konzeptionsmuster“ handele.

Das OLG Köln folgte dem LG Köln dagingehend, dass auch Mitteilungen vorgegebener Tatsachen oder Gebrauchszwecken dienende Schriftwerke urheberrechtlich geschützt seien, sofern das Alltägliche, das Handwerksmäßige, die mechanisch-technische Aneinanderreihung des Materials deutlich überragt werde. Dabei könne die erforderliche Individualität und schöpferische Leistung auch durch den Aufbau, die Auswahl und Anordnung sowie durch wechselseitige Aufgabenzuweisung der Text- und Bildinformation, die sprachliche Ausdrucksweise oder die sonstige Darstellungsart erreicht werden, sofern diesbezüglich ein nicht unerheblicher gestalterischer Spielraum verbleibe.

Je länger ein Text sei, desto größer sei der Spielraum für Gestaltungsmöglichkeiten bei der individuellen Wortwahl und Darstellungsform, und es könne deshalb umso eher eine hinreichende eigenschöpferische Prägung erkannt werden. Insbesondere treffe dies bei persönlichen Einschätzungen etwa zu der Bedrohungslage oder der Rolle von bestimmten Personen zu. Erkennt man mit den Kölner Richtern ein Urheberrecht an solchen Bundeswehrberichten an, läge damit automatisch eine Urheberrechtsverletzung vor.

Das Gericht befasste sich auch mit der Rechtsauffassung von Prof. Dr. Thomas Hoeren, der anlässlich der Botschaftsdepeschen von WikiLeaks u.a. für eine Ausweitung des Zitatrechts im Informationsinteresse der Allgemeinheit plädierte. Vorliegend vermisste das Gericht eine detaillierte Befassung des Zeitungsverlags mit den Dokumenten, welche ein solch umfangreiches Zitat rechtfertigen würden. Das Gericht verwies darauf, dass eine Darstellung der Diskrepanz zwischen den veröffentlichten Bundeswehrberichten und den nicht öffentlichen auch ohne Veröffentlichung von Originaldokumenten journalistisch zu leisten sei, wie dies auf der Website datenjournalist.de geschehe.

Kein Gewicht maß das Gericht der Frage bei, ob die Klage der Bundeswehr rechtsmißbräuchlich sein könnte. Die Aufgabe des Urheberrechts besteht eigentlich darin, das persönliche und wirtschaftliche Interesse von Kulturschaffenden zu wahren. Vorliegend geht es der Bundeswehr ersichtlich nicht um die Wahrung kultureller Belange, denn eine wirtschaftliche oder künstlerische Auswertung der Berichte ist fernliegend. Die Bundeswehr verfolgt vielmehr das Ziel, durch Instrumentalisierung von Urheberrecht das Leaken ihres Materials aus Geheimhaltungsinteresse zu unterbinden. Auch im Urteil klingt an, dass sich das Gericht der Gefahr für Leib und Leben bewusst war, die durch die Veröffentlichung entstehe, obwohl das ersichtlich keine Frage des Urheberrechts ist.

OLG Köln, Urteil vom 12.06.2015, Az.: 6 U 5/15