Netzpolitik.org: BGH-Richter Thomas Fischer liest die Leviten

Prominenter Strafrechtler tritt aus dem Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte aus

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Jeder Jurist, der den Fall netzpolitik.org und das Karriereende des Generalbundesanwalts Range kommentiert hat, wird zweifellos vorher einen Blick in den "Fischer" geworfen haben, jenen bedeutendsten Praxis-Kommentar zum Strafgesetzbuch. Dessen Autor ist Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof und inzwischen auch wortgewaltiger Kolumnist der ZEIT. Fischer klartextet heute mit gewohntem Temperament und beißendem Spott über die "Leistungen" der Beteiligten, aber auch der Medienvertreter, "deren intellektuelle Fähigkeiten und Fachkenntnisse gerade eben zum Zubinden der Schuhe und zum Auftragen von Mascara ausreichen".

Fischer stellt auch die Frage, wie denn die Kommunikation zwischen Bundesjustizminister und Generalbundesanwalt bei der dort versickerten Frage aussah, ob ausländische Mächte gegen die und auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland mit geheimdienstlichen Methoden Staats- und Wirtschaftsgeheimnisse ausspähen. Eine unterbliebene Abstimmung mit dem Bundesjustizministerium hält Fischer für unwahrscheinlich, vermisst jedoch eine ähnliche Pressekonferenz, wie sie Range wegen netzpolitik.org veranstaltet hatte.

Außerdem veröffentlichte Fischer eine Presseerklärung zu seinem nun erklärten Austritt aus dem Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte, der sich gegen den weisenden Bundesjustizminister Maas positionierte. Fischer distanzierte sich von der ihm unerklärlichen Erklärung des Vereins vom 5. August 2015, Maas habe versucht, den Generalbundesanwalt durch eine rechtswidrige Weisung zu einer "gezielten Steuerung der Beweisaufnahme" zu nötigen, um ein bestimmtes – politisch gewolltes – Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens zu erreichen. Hierin will der Verein "schwerwiegende Gefahren für den Rechtsstaat" erkennen. Der Verein hatte zudem doziert, das Weisungsrecht des Ministers ende dort, wo der Anweisende eine Straftat der Strafvereitelung im Amt begehe.

Fischer fragt, ob wohl im BGH heimlich "Cannabis ausgegeben" worden sei. Neben fachlichen Defiziten wie der Ignoranz eines nun einmal bestehenden Weisungsrechts kritisiert Fischer, dass sich der Verein überhaupt zu solchen (offenbar nicht mit der Basis abgestimmten) Erklärungen bemüßigt sieht. Eigentliche Aufgabe dieses Vereins, der das "Maul aufreiße", sei das Verteilen der Einnahmen aus den Entscheidungssammlungen der Bundesrichter.

Fischer vermisst zudem eine Haltung der Bundesrichterkollegen zum NSA-Skandal: "Wann immer, so mein Eindruck, an den Tischen der bundesgerichtshöflichen Kollegenschaft das Akronym "NSA" fiel und das Wort "Generalbundesanwalt" und der Begriff "Legalität", senkten sich die Köpfe rasch über die Salatsauce und die Fusilli siciliana."