Marokko ruft Boykott Schwedens aus

Unter anderem konnte eine IKEA-Filiale nicht eröffnet werden, weil Schweden die Demokratische Arabische Republik Sahara anerkennen will

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Nun hat das autokratische Königreich Marokko die Hüllen fallen lassen und offen einen Boykott gegen schwedische Unternehmen und Waren verkündet. Es war schon gemutmaßt worden, dass dies dahinter stand, als eine Filiale von IKEA in Casablanca am vergangenen Dienstag nicht eröffnet werden konnte.


Zunächst hatte man sich in Marokko noch hinter Bürokratie versteckt. Und IKEA hatte sogar erklärt, dass die außergewöhnliche Aussetzung der Eröffnung, die wie stets groß beworben worden war, von der IKEA-Zentrale bestimmt worden sei, weil einige Vorgänge noch abgeschlossen werden müssten. Offenbar will sich IKEA nicht mit der Regierung anlegen, weil Investitionen gefährdet sind. Der schwedische Konzern will fünf Möbelhäuser in Marokko eröffnen.

Jedenfalls klang das schon merkwürdig, denn die staatliche Nachrichtenagentur MAP hatte berichtet, dass die lokalen Behörden dem Projekt die nötige "Konformitätsbescheinigung" nicht ausgestellt hätten, weshalb die Eröffnung annulliert worden sei. Deshalb hatten gut aus dem Königshaus informierte Medien gemeldet, dass es sich um eine "Repressalie" handelt, weil die Schweden dabei ist, die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) anzuerkennen.

Tatsächlich soll ein entsprechendes Gesetz demnächst im schwedischen Parlament verabschiedet werden, was Marokko zu verhindern sucht. Denn es wäre das erste EU-Land, das die Demokratische Republik anerkennt. Das könnte der Durchbruch in Europa sein, dem sich weitere Länder anschließen. Bisher erstreckt sich die DARS nur über rund ein Drittel der Westsahara und dazu über vier Flüchtlingslager in der Nähe der algerischen Stadt Tindouf, wo fast 200.000 Menschen unter widrigsten Bedingungen auf die Rückkehr warten. Trotz allem wurde die Republik bisher von 82 Ländern anerkannt.

Und weil Marokko fürchtet, dass sich mit dem schwedischen Vorstoß insgesamt die Haltung in Europa zur Westsahara-Frage ändern könnte, wurde offiziell bestätigt, dass es sich um eine Repressalie gegen Schweden handelt. Regierungssprecher Mustapha El Khalfi sagte, dass alle schwedischen Firmen und Waren boykottiert würden, weil Schweden systematisch die Interessen Marokkos beschädige. Khalfi meinte, Schweden müsse seine Position überprüfen, denn Marokko werde nicht tolerieren, dass seine "Stabilität, die territoriale Integrität und die wirtschaftlichen Interessen" verletzt würden. "Schweden boykottiert marokkanische Waren, weshalb wir nun den Spieß umdrehen", erklärte er.

Die Westsahara wurde nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht 1975 zunächst zwischen Marokko und Mauretanien aufgeteilt. Von den Saharauis wurde schließlich die Demokratische Republik 1976 ausgerufen, die mit dem "Grünen Marsch" fast vollständig von Marokko besetzt wurde. Marokko betrachtet das Gebiet als Teil seines Territoriums und regiert es mit brutaler Gewalt. Dabei wird das Land auch aus Deutschland mit Ausrüstung und Polizeihilfe unterstützt.

Der Nationale Gerichtshof in Spanien ermittelt sogar gegen marokkanische Verantwortliche wegen Völkermord und hat sieben internationale Haftbefehle erlassen. Verbrechen von Militär und Polizei hätten sich allein gegen die Saharauis gerichtet. Sie würden "verfolgt, weil sie die Ursprungsbevölkerung des Gebiets sind". Als "Ziel" nennt der Gerichtshof "ihre Vernichtung über Ermordung, Verschwindenlassen oder auch durch Inhaftierung über lange Zeit".

Und Marokko hintertreibt seit 1991 die Durchführung des Referendums über die Unabhängigkeit der Westsahara, die eine UNO‑Mission (Minurso) zu überwachen versucht. Das war die Grundlage für das Waffenstillstandsabkommen mit der Befreiungsfront Polisario. Das autokratische Königreich verhindert auch weiterhin, dass die Minurso auch die Lage der Menschenrechte in der letzten Kolonie Afrikas überwachen kann. Das ist einzigartig, dass in einer Uno-Mission die Menschenrechte ausgeklammert werden und Europa verschließt bis auf Schweden, weitgehend die Augen vor der Situation.