Moonraker

Der "unabhängige" Selektorenlisten-Prüfer Kurt Graulich und die BND-Weltraumtheorie

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Wie wir gestern gelernt hatten, ist im Geheimdienst ihrer Majestät der für "unabhängige“ Begutachtung der Antiterrorgesetze zuständige Lord zufällig Teilhaber einer gemeinsamen Beratungsfirma mit dem Ex-MI6-Chef. In Geheimdienst unserer Kanzlerin wäre so etwas natürlich undenkbar. So wurde zur Sicherstellung der Unabhängigkeit und Weisheit der ehemalige Bundesverwaltungsrichter Dr. Kurt Graulich abgestellt, um die 40.000 Selektoren des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvereins BND auf Schwächen abzuklopfen.

Der Rechtsgelehrte soll auch Erleuchtung in spannenden juristischen Fragen wie der Geltung des Grundgesetzes beim Abschnorcheln von Satelliten liefern. Während das Anzapfen von Kabeln auf dem Territorium der Bundesrepublik in Grundrechte eingreift und daher der G10-Kommission zu melden ist, soll das Ausrichten von Antennen auf mitteilsame Satelliten nach Auffassung aus Pullach etwas ganz anderes sein. Und da es ohnehin nicht drauf ankommt und man den G10-Leuten nicht mit Arbeit lästig fallen wollte, hat man dann auch gleich den ganzen Selektorensalat weggelassen. Verwirrt doch nur!

Während geerdete Juristen die „Weltraumtheorie“ des BND für etwas abgehoben halten und sogar die Pullacher Datenschutzbeauftragte (gibt es wirklich!) Frau Dr. F. Bauchschmerzen hatte, scheint Graulich der Sicht der Chefspione zu folgen. So zitiert die Süddeutsche aus einer ihr vorliegenden Verschlusssache, Graulich habe der kritischen Meinung etwa des renommierten Verfassungsrechtlers Papier gerade einmal 25 Zeilen gewidmet, während Graulich seine eigenen geistigen Ergüsse 44 Mal gefußnotet habe.

Zweifel daran, dass es sich bei Graulich nicht um einen neutralen Gutachter, sondern um einen eingeschleusten Doppelagenten handelt, der Desinformation streuen soll, nährt ein brisanter Fund in der Expertise des Ex-Verwaltungsrichters: So stimmt der Süddeutschen zufolge die Seite 90 aus Graulichs Abschlussbericht vollständig mit einem vierseitigen BND-Kurzgutachten vom August 2013 überein. Graulich hat keine Quellen angegeben und sogar eine dortige Abkürzung kopiert, die er selbst sonst anders verwendet.

Das war nicht ganz die Art Unabhängigkeit, die man sich gewünscht hätte, sondern sieht eher nach Totalschaden aus. Weitaus besser als bei Graulich ist der Stoff bei Satirikern aufgehoben. Anstaltsbesetzer Claus von Wagner fasste bereits vor Monaten die Zusammenarbeit zwischen BND und NSA brillant zusammen.