Gespendete Kinder

In Deutschland gibt es Tausende tiefgekühlte Embryonen, die bei künstlichen Befruchtungen übrig geblieben sind. Wäre es eine Lösung, sie unfruchtbaren Paaren zu spenden?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

In Deutschland gibt es Tausende tiefgekühlte Embryonen, die bei künstlichen Befruchtungen übrig geblieben sind. Wäre es eine Lösung, sie unfruchtbaren Paaren zu spenden?

Cambria und Julia sind unübersehbar Geschwister. Sie wachsen bei Cathy und Scott LaSorsa auf. Cathy hat sie zur Welt gebracht. Und doch sind sie und ihr Mann genetisch gesehen nicht die Eltern. Die Mädchen sind das Ergebnis einer Embryonenspende. Ärzte setzten diese in Cathys Gebärmutter ein. Damit sind sie Teil eines völlig neuen Kapitels in der Fortpflanzungsgeschichte.

So wie Cathy und Scott LaSorsa in den USA leiden weltweit viele Paare darunter, dass sie nicht auf natürlichem Weg Kinder zeugen können. Deshalb unterziehen sich die Frauen einer potenziell belastenden sowie kostspieligen künstlichen Befruchtung. Die befruchteten Eizellen warten dann bei minus 196 Grad eingefroren darauf, aufgetaut und in die Gebärmutter der Mutter eingesetzt zu werden. Dazu kommt es allerdings häufig nicht mehr. Zum Beispiel weil die einkalkulierten Fehlversuche nicht eintraten und die Frauen schneller schwanger wurden als gedacht. Nun stehen die Paare vor einem Dilemma. Viele können sich nicht vorstellen, ihre übrig gebliebenen Embryonen vernichten zu lassen. Und so zahlen sie die Lagerungskosten von mehreren Hundert Euro pro Jahr weiter.

Seit 2013 existiert in Deutschland allerdings eine Alternative, die es in den USA schon länger gibt: die sogenannte Embryonenspende. Ein gleichnamiges Netzwerk, in dem sich 20 bayerische und zwei baden-württembergische Kinderwunschzentren zusammengeschlossen haben, vermittelt Paaren mit Kinderwunsch die übrig gebliebenen Embryonen und befruchteten Eizellen. Die Nachfrage ist groß, viel größer als das Angebot.

Die Spende von Embryonen hat der Gesetzgeber im Embryonenschutzgesetz nicht explizit untersagt. Spenden können der Webseite des Netzwerks zufolge Paare, deren überzähliger Nachwuchs bei einem der Mitgliedszentren eingefroren ist. Empfängerpaare brauchen einen ärztlichen Nachweis, dass sie eine künstliche Befruchtung erfolglos versucht haben, um auf die Warteliste zu kommen. Da die durchschnittliche Wartezeit aber zwei Jahre beträgt, wurde die Liste vorerst geschlossen.

Ausschlaggebend für die Zuordnung zu den Empfängern sind äußere Ähnlichkeiten mit den Wunscheltern sowie die Blutgruppe. Empfängerpaare zahlen dafür knapp 1000 Euro. Die Summe darf nur die Kosten decken, eine Gewinnerzielung wäre rechtswidrig. „Entscheidend ist, dass die Spenden altruistisch sind. Es darf kein Entgelt und keine Aufwandsentschädigung gezahlt werden, da dies eine Kommerzialisierung wäre“, sagt die Juristin Monika Frommel, zweite Vorsitzende des Netzwerks. Entsprechend erhalten die Spendereltern kein Geld.

Rechtlich und ethisch umstritten ist der Ausweg hierzulande dennoch. Gesetzlich geregelt sind weder die Vermittlungskriterien, also welche Embryonen zu welchem Paar kommen. Noch die Frage, ob – wie bei einer Adoption – ausgebildete Fachleute die Vermittlungsentscheidung treffen und ein Familiengericht diese bestätigen sollte. Und vor allem, ob die Spende anonym oder offen stattfindet. Dabei wären verlässliche Regeln in einem so grundlegenden menschlichen Bereich wichtig.

Weil aber die Auslegung des Embryonenschutzgesetzes umstritten ist, droht dem Netzwerk nun juristisches Ungemach. Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat Ermittlungen wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz aufgenommen. Der Vorwurf: „Beihilfe zur rechtswidrigen Übertragung oder Befruchtung von Eizellen“. Mehr konnte Oberstaatsanwalt und Pressesprecher Matthias Nickolai wegen des laufenden Verfahrens nicht sagen. Doch ein Artikel von Jochen Taupitz, Juraprofessor an der Universität Mannheim und Mitglied des Deutschen Ethikrates, in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ lässt zumindest erahnen, worum es gehen könnte.

Das Gesetz verbietet es, „eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt“. Frommel vom Netzwerk Embryonenspende argumentiert, dass die Befruchtung für die Frau durchgeführt wird, die schwanger werden will. Das Problem dabei: Es gibt neben Embryonen auch überzählige befruchtete Eizellen, die biologisch gesehen vor der Vollendung der Befruchtung eingefroren wurden. Ihre Zellkerne sind noch nicht verschmolzen, das passiert erst nach dem Auftauen. Geschieht aber das Auftauen für eine neue Empfängerin, so Taupitz, sei das ein Verstoß gegen das Gesetz.

(vsz)