Was bezweckte der IS mit den Pariser Anschlägen?

Wollte die Terrorgruppe vielleicht Werbung für PEGIDA machen und antimuslimische Stimmung anheizen?

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750 Euro kostet ein falscher syrischer Pass, hat kürzlich ein niederländischer Journalist festgestellt. Er hatte mit dem Foto seines Premiers Mark Rutte in Syrien falsche Papiere anfertigen lassen und argumentierte damit, dass potentielle Terroristen sich also auf diesem Wege Passdokumente besorgen und unauffällig nach Europa gelangen könnten.

Allerdings kämpfen in den Reihen des IS mehrere Tausend europäische und nordamerikanische Bürger mit gültigen Ausweisen. Und sicherlich haben die Geheimdienste längst nicht alle von ihnen auf dem Radar, sodass sie weiterhin ungehindert reisen können, wie zum Beispiel der mutmaßliche Attentäter, der im Sommer 2014 im jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen getötet hatte.

Wieso sollte der IS also, fragt ein Kommentar der libanesischen Internetplattform NOW, einen syrischen Flüchtling benutzen, der vermutlich noch über mangelnde Sprachkenntnisse verfügt. Alle bisherigen Anschläge, wie der auf Charlie Hebdo, seien von Europäern verübt worden.

Die Fingerabdrücke eines der Täter mit einem nachweislich falschen syrischem Ausweis deuten allerdings darauf hin - bisher ist, wie berichtet, von Ähnlichkeiten die Rede -, dass dieser tatsächlich auf der ungewöhnlichen und auf dem ersten Blick nicht sehr sinnvollen Route gekommen ist.

Der libanesische Autor hatte diese Information offensichtlich noch nicht. Dennoch ist die Frage, die er stellt, interessant: Sollte der syrische Ausweis vielleicht gefunden werden? Ging es dem IS unter anderem auch darum, der europäischen Öffentlichkeit einen vermeintlichen Flüchtling als Attentäter zu präsentieren?

Der Autor, Haid Haid, der in Beirut für die Heinrich-Böll-Stiftung arbeitet, geht davon aus, dass dem IS an der antimuslimischen Stimmung wie auch an der neuen Welle von Gewalttaten gegen Moslems und Flüchtlinge - unter denen übrigens auch viele Christen und Konfessionslose sind –- sehr gelegen ist.

Das sieht Nicolas Henin ähnlich. Henin kennt den IS sozusagen von innen, seitdem er zehn Monate als Geisel in IS-Gefangenschaft verbracht hat. In der britischen Zeitung Guardian schreibt er, dass die Bilder von in Deutschland freundlich empfangenen Flüchtlingen, dem IS Angst machen.

IS-Kämpfer hätten eine endzeitliche, apokalyptische Sicht auf die Welt. Alles laufe für sie auf eine große Endscheidungsschlacht zu. (Ein ähnliche Sichtweise treibt übrigens auch fundamentalistische Christen um. Beides speist sich aus dem Alten Testament, von dem auch der Koran inspiriert wurde.)

Die Anschläge würden daher nicht unternommen, um Europa von einem militärischen Eingreifen abzuhalten, sondern sollen dieses eher provozieren. Die zivilen Opfer, die dies in Syrien unweigerlich zum Beispiel unter den 500.000 Menschen in der IS-Hauptstadt Raqqa kosten wird, sowie die Ausgrenzung und die Anfeindungen der Muslime in Europa, würden in diesem Kontext dem IS nur neue Kämpfer in die Arme treiben.